Die Rose der Highlands
angespannten Situation möglichst unauffällig zu entfliehen. Ihr war
ganz und gar nicht nach einer Debatte mit ihrer Stieftochter zumute.
Kaum betraten sie den Flur, war die Spannung zwischen ihnen geradezu
körperlich spürbar. Isobels Miene war dermaÃen finster, dass es Lili kalte
Schauer über den Rücken jagte. Trotzdem versuchte sie noch, sich vor einer
drohenden Auseinandersetzung zu drücken.
»Gute Nacht, mein Schatz!«, flötete sie, als wäre nichts geschehen
und eilte, ohne eine Antwort abzuwarten, die Treppe zu ihrem Schlafzimmer
hinauf. Dort lieà sie sich in voller Kleidung stöhnend auf ihr Bett fallen. Sie
schloss die Augen. Ihre Gedanken kreisten um den heutigen Abend, doch es ging
alles durcheinander in ihrem Kopf. Sie schaffte es nicht, all die Eindrücke zu ordnen,
geschweige denn vernünftig einzuschätzen. Das einzig Fassbare war das Gefühl,
alles falsch gemacht zu haben.
Während sie sich das Hirn zermarterte, was genau schiefgelaufen war
und warum, betrat Isobel, ohne anzuklopfen, das Zimmer. Lili hielt die Augen
zwar immer noch geschlossen, aber sie spürte sofort, dass ihre Stieftochter da
war. Und sie wusste, dass es kein Entrinnen gab.
Im Gegenteil, es war an der Zeit, sich bei Isobel zu entschuldigen,
weil sie das Stadthaus eigenmächtig hatte verkaufen wollen. Sie atmete ein
paarmal tief durch. Als sie die Augen aufschlug, blieb ihr die Entschuldigung
im Hals stecken. Isobel funkelte sie fast genauso hasserfüllt an, wie sie es
damals getan hatte. An jenem Tag, an dem sie erfahren hatte, dass ihre geliebte
Lehrerin ihren Vater heiraten würde. Damals, als sie befürchtet hatte, dass
Lili sie auch verlassen würde. So wie ihre Mutter es getan hatte â¦
Lili lief es eiskalt den Rücken hinunter. Trotzdem nahm sie ihren
ganzen Mut zusammen und setzte zu einer Entschuldigung an, doch Isobel fuhr ihr
über den Mund.
»Was hast du nur gegen ihn? Und wenn du ihn schon nicht leiden
kannst, warum musst du es dann so offen zeigen? Dir war gar nicht elend zumute,
oder? Du wolltest mir nur den Abend kaputt machen?«
Lili schnappte nach Luft. Auf eine solche Flut ungerechtfertigter
Vorwürfe war sie nicht gefasst gewesen. »Aber, ich habe doch gar nichts gegen
ihn ⦠ich â¦Â«, stammelte sie.
Isobel hatte sich in angriffslustiger Pose vor dem Bett aufgebaut:
die Hände in die Hüften gestemmt, das Kinn vorgereckt.
»Ach ja? Und warum warst du dann so unfreundlich?«
Lili erwachte langsam aus ihrer Erstarrung. Mit einem Ruck setzte
sie sich auf. Aufgestauter Zorn machte sich in ihr breit.
»Was heiÃt hier überhaupt: Ich wollte dir den Abend kaputt machen?
Wenn ich mich recht entsinne, war es mein Geburtstag, den wir beide gemeinsam
verbringen wollten. Du und ich allein!«
Isobel lachte bitter auf. »Du hattest mit allem recht, was du heute
Nachmittag gesagt hast. Ich bin nur deinetwegen noch allein. Weil ich weiÃ,
dass du mich brauchst, vor allem jetzt, wo Dusten tot ist. Und so, wie du dich
verhältst, wird mich kein Mann je attraktiv finden.«
Lili erblasste.
»Du willst mir doch nicht etwa unterstellen, ich würde dein Glück
sabotieren, oder? Wenn Lord Fraser Interesse an dir hat, bitte, dann soll er es
dir zeigen. Und wenn er mein Verhalten unmöglich fand, dann sollte es ihn, wenn
er Rückgrat besitzt, nicht davon abhalten, dir den Hof zu machen! Die Zeiten,
dass man die Mutter fragen muss, sind vorbei!«
»Genau. Mal davon abgesehen, dass du gar nicht meine Mutter bist!«
Lili war völlig machtlos dagegen, dass ihr bei diesen verletzenden
Worten sofort Tränen in die Augen traten. Isobel erschrak, als sie sah, was sie
angerichtet hatte.
»Verzeih mir, Lili, das ist mir nur so rausgerutscht. Ich bin so
enttäuscht, dass du mir nicht vertraust. Warum hast du mich nicht gefragt, ob
ich dir aus der Patsche helfen kann, bevor du unser Stadthaus eigenmächtig zum
Verkauf angeboten hast?«
Lili zuckte mit den Schultern. »Ich wollte nicht, dass du dein Erbe
anbrichst, nur weil ich die Rinder nicht mehr verkauft bekomme.«
»Aber, Lili, dafür kannst du doch nichts. Das musst du doch nicht
allein tragen! Das würde mich ein müdes Lächeln kosten, wenn wir eine Weile von
meinem Geld lebten. Im Gegenteil.«
Lili seufzte. »Tja, das wollte ich vermeiden, aber wenn du Lord
Fraser davon abhältst, das Haus in Inverness zu erwerben,
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