Die Rose der Highlands
man nicht einfach zu dem, was man hat?«
»Weil das Leben dann eintönig und grau ist wie der Himmel, der heute
über dem Tal von Strathconon hängt.«
»Ich finde das nicht eintönig. Was habe ich davon, wenn ich mir
einbilde, es herrsche Sonnenschein? Dann würden mir die vielfältigen
Wolkenformationen entgehen, die unser Wetter mit sich bringt. Ich würde doch
gar nicht mehr in der Wirklichkeit leben und könnte die einzigartige Schönheit
der Highlands nicht mehr würdigen. Was, wenn ich den Herbst im Tal von
Strathconon zu einem nie endenden Sommertag machen wollte? Ich würde übersehen,
wie bezaubernd es ist, wenn die Blätter in den unterschiedlichsten Rot-,
Braun-, Gelb- und Grüntönen aus dem Tal ein Farbenmeer machen, das es nur bei
uns im Hochland gibt und nur im Herbst â¦Â«
Keith stand auf und verschloss ihr den Mund mit einem Kuss.
»Das hast du entzückend gesagt. Du brennst ja förmlich für dieses
Tal«, bemerkte er, nachdem er sich auf seinen Platz zurückgesetzt hatte.
Isobel war wie berauscht. Wieder ein Kuss und diese süÃen Worte.
Oder war es der viele Alkohol, fragte sie sich zweifelnd. So verlockend das
auch alles war, aber sie wollte nicht abheben. Sie fühlte sich am wohlsten,
wenn sie mit beiden Beinen am Boden blieb.
»Wir haben nur diese eine Wirklichkeit«, erklärte sie mit fester
Stimme.
»Aber ist die Wirklichkeit denn so erstrebenswert, dass man sie
nicht durch die Macht der Gedanken lenken sollte?« Keith blickte an ihr vorbei
in Richtung des Gemäldes, das über der Anrichte hing und die kleine Rose
abbildete.
Isobel betrachtete sein Profil. Seine Gesichtszüge schienen wie
versteinert, und sein Kiefer malte, als stünde er unter höchster Spannung. Was
ist mit dem Bild, fragte sie sich beinahe besorgt. Es zeigt doch nichts anderes
als ein kleines Mädchen, die kleine Rose ⦠Ein Gefühl von Eifersucht durchfuhr
Isobel wie ein Blitz. Keith sollte seine Aufmerksamkeit nicht diesem Bildnis
ihrer Schwester widmen.
»Es kann enttäuschend sein, hinter seinen Träumen herzurennen«,
sagte sie mit fester Stimme, doch Keith klebte an dem Bild, als würde es ihn festhalten.
Isobel räusperte sich laut. »Stell dir vor, ich hätte all die Jahre nur darauf
gewartet, dass endlich ein Mann vorbeikommt, der mich auf einem weiÃen Pferd
mit sich in sein Schloss â¦Â« Isobel unterbrach sich erschrocken, als er sich ihr
mit spöttischer Miene zuwandte.
»Hast du nicht davon geträumt, dass einmal ein Kerl wie ich kommen
und dich heiraten würde? Komm, gib es zu, natürlich hast du dir das
vorgestellt.« Seine Stimme war wie ausgewechselt. Sie trug nicht einmal mehr
die Spur von Zärtlichkeit in sich.
Isobel schluckte die Widerworte, die ihr auf der Zunge lagen,
hinunter und murmelte nur: »Träume hat doch jeder.« Sie war klug genug, keine
weitere Diskussion vom Zaun zu brechen. Wenn sie ehrlich war, war ihr Keith in
diesem Moment entsetzlich fremd, fast so, als wäre er ein anderer Mann als noch
Minuten zuvor.
Aber vielleicht macht dieser Gegensatz zwischen uns beiden ja gerade
den Reiz aus, versuchte sie sich seinen plötzlichen Stimmungsumschwung
schönzureden. Sie, die ausgeglichene bodenständige Lehrerin, und er, der
launische phantasievolle ⦠ja, was für einen Titel hatte er eigentlich? Lord
war ja lediglich die Anredeform und konnte alles Mögliche sein. Auch auf die
Gefahr hin, dass er immer noch so zynisch reagieren würde wie eben, wollte sie
das Gespräch wieder in pragmatische Bahnen lenken.
»Was sagt eigentlich deine Familie dazu, wenn du eine Frau ohne
Titel heiratest? Mein Vater war ein Baronet, aber ich bin nur Miss Munroy. Was
bist du? Ein Baron?«
»Ist doch gleich«, erwiderte er schroff. Isobel fuhr zusammen. Sie
hatte ihm doch wirklich nicht zu nahe treten wollen. Was war nur in ihn
gefahren? Er war ja wie verwandelt!
»Keith, wenn ich etwas falsch gemacht habe, dann sage es mir bitte.
Ich bin eine Frau, der man direkt sagen kann, was los ist!«
»Entschuldige bitte, ich weià auch nicht, was in mich gefahren ist.
Du machst gar nichts verkehrt, mein Liebling. Im Gegenteil.« Isobel hörte zwar,
was er sagte, aber es berührte sie nicht. Er sagte das derart kalt und
sachlich. Ihr war plötzlich zum Weinen zumute, und das kam bei ihr höchst
selten vor. Im Gegensatz zu Rose
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