Die Rose der Highlands
zum ersten Mal geküsst hatte,
durch alle Glieder gezogen war.
Keith blickte ihr tief in die Augen. »Isobel, verzeih, dass ich so
schroff zu dir war, aber meine Familie, das ist kein Thema, über das ich gern
spreche. Ich bin ein reicher Erbe, aber das heiÃt nicht viel. Ich habe meine
Mutter früh verloren und mein Vater â¦Â«
Er stockte und streichelte ihre Hand. Isobel war voller Mitgefühl,
denn sie verstand ihn blind. Was konnte einem Menschen Schlimmeres geschehen,
als die Mutter früh zu verlieren? Und dann den Vater ⦠Wenn Lili nicht gewesen
wäre, dann ⦠Isobel mochte den Gedanken gar nicht zu Ende führen. Plötzlich
überkamen sie schreckliche Schuldgefühle ihrer Stiefmutter gegenüber, weil sie
vor Keith so tat, als gäbe sie gar nichts auf Lilis Meinung. Das war glatt
gelogen, und Isobel wusste es. Insgeheim war Lilis Urteil ihr immer noch das
Wichtigste. Und sie würde alles tun, damit Lili Keith in ihr groÃes Herz
schlösse. Doch auch Keith gegenüber meldete sich ihr schlechtes Gewissen. War
das wirklich richtig? Er redete so offen darüber, dass er Vater und Mutter früh
verloren hatte, und sie, die dasselbe Schicksal erlitten hatte, verheimlichte
ihm das.
Ich sollte mich ihm offenbaren, ging es Lili durch den Kopf, doch
dann dachte sie wieder an das Versprechen, das sie Lili gegeben hatte. Ihn in
dem Glauben zu lassen, sie wäre ihre Tochter ⦠Warum fühlte sie sich zwischen
den beiden nur so schrecklich hin und her gerissen?
12
L ili saà aufrecht in
ihrem Bett und schrieb Tagebuch, als dieÂ
Tür leise aufging. Sie war hundemüde und hatte nur auf diesen Augenblick
gewartet. Dass Isobel ihr endlich Bericht erstatten würde. Ein paar Mal waren
ihr bereits die Augen über ihrem Buch zugefallen.
»Na, wie war es?«, fragte Lili eine Spur zu neugierig.
Isobel blieb ihr eine Antwort schuldig und setzte sich auf die
Bettkante. Sie schwieg und blickte beseelt ins Leere. Aus ihren Augen strahlte
ein verdächtiges Leuchten, das den frisch Verliebten vorbehalten war.
Lili hielt den Atem an. Sie betete, dass sie sich täuschte. Nur
allzu gern wollte sie harmlose Worte aus dem Mund ihrer Stieftochter hören wie
etwa: Oh, es war nett. Mehr nicht! Oder: Er lässt dich grüÃen. Es tut ihm leid,
dass du ihm das Haus nicht verkaufst. Oder auch: Das Essen war gut. Fiona hat
sich selbst übertroffen. Worte, die das widerlegten, was Lili in diesem
Augenblick befürchtete.
Ãber Isobels Gesicht aber huschte ein verträumtes Lächeln, das mehr
als tausend Worte sagte. Als ihre Stieftochter sich räusperte, um endlich zu
berichten, was dort unten im Salon geschehen war, war sich Lili so gut wie
sicher, dass sie vergeblich hoffte.
»Was hat er dir versprochen?«, fragte sie in scharfem Ton, was sie sogleich
bedauerte. Es klang genau nach der verbitterten Alten, die sie auf keinen Fall verkörpern
wollte.
Isobels verdutzter Blick zeigte ihr, dass es in der Tat befremdlich
bei ihr angekommen war.
»Er hat mich gefragt, ob ich seine Frau werden möchte«, brachte
Isobel schlieÃlich heiser hervor.
»Seine Frau?«, wiederholte Lili stumpf. Ihr war durchaus bewusst,
dass sie anders reagieren sollte. Begeistert und hocherfreut, aber sie konnte
partout nicht über ihren Schatten springen.
»Ja, er will mich heiraten!«, wiederholte Isobel mit Nachdruck. »In
deinem Gesicht steht alles geschrieben, nur keine Freude!«, fügte sie unwirsch
hinzu.
»Doch, ja, natürlich, das ⦠das ist doch eine ⦠eine wunderbare
Nachricht«, stammelte Lili und rang sich zu einem schiefen Lächeln durch.
»Was ist los, Lili? Warum kannst du dich nicht mitfreuen? Weil du
dann allein auf Scatwell Castle zurückbleiben musst? Ist es das, was du
fürchtest?« Isobel war laut geworden.
»Nein, natürlich nicht, ich möchte doch, dass du glücklich wirst â¦Â«
Lili hielt inne. Es hatte keinen Sinn, Isobel von dem merkwürdigen Gefühl zu
erzählen. Das würde sie nie und nimmer verstehen. Und es ist sicherlich das
Letzte, was sie in diesem Augenblick hören möchte ⦠dass es im Bauch ihrer
Stiefmutter grummelt, schoss es Lili durch den Kopf, während sie sich zu einem
schiefen Lächeln durchrang.
»Ich meine, nein, ich freu mich, doch, ja, ich habe bloà Angst,
allein zu sein«, stammelte sie. Und das war ja schlieÃlich auch
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