Die Rose der Highlands
nicht umgekehrt.«
»Das ist ein dummer Zufall. Mehr nicht! Denn es gibt keine
rachsüchtigen Makenzies mehr!«, entgegnete Lili entschieden.
»Ich weià nicht. Und wenn es einen Makenzie gibt, von dem keiner
wei�«, sinnierte Rose.
Lili machte eine wegwerfende Geste. »Blödsinn! Weil es â¦Â« Lili
zögerte. Sollte sie dem Kind wirklich erzählen, dass der Mord an Artair bereits
vor vielen Jahren gerächt worden war, und zwar von seinem Sohn Gordon, Lilis
Vater? Plötzlich bedauerte sie, überhaupt mit dem Thema angefangen zu haben.
Sie hatte es sich einfacher vorgestellt und geglaubt, sie könne die ganze
Geschichte unemotional weitergeben. Und ohne Rose mit der Nase darauf zu
stoÃen, dass ihr GroÃvater mütterlicherseits ein verurteilter Mörder gewesen
war. Ihre zitternden Hände bewiesen das Gegenteil. Lili verschränkte sie fest
ineinander, damit Rose nicht bemerkte, wie nahe ihr das alles ging.
»Und hat mein GroÃvater Douglas auch mitgemacht bei der Hetze gegen
die Makenzies?«
»Nein, der war viel zu selten zu Hause. Er war erst auf einem
Internat und studierte dann in Edinburgh. Er war erst neunzehn Jahre, als er am
achtundzwanzigsten Dezember des Jahres 1879 in den kalten Tod
stürzte. Damals war er auf dem Weg in die Ferien. Seine Mutter Mhairie war sehr
böse auf ihn, dass er nicht schon vor Weihnachten gekommen war, aber der wilde
Bursche hatte noch ein paar Feste in Edinburgh mitgefeiert. In dem Augenblick,
da der Zug bei einem Orkan über die Brücke von Tay fuhr, brach sie zusammen und
riss seinen Zug in die Tiefe.«
»Warum hat Dad nie darüber gesprochen?«
»Weil er ihn gar nicht gekannt hat. Und auÃerdem war dein Dad der
Meinung, dass wir uns nicht mit den alten Geschichten belasten, sondern lieber
das Leben genieÃen sollten. Es sei kurz genug, pflegte er immer zu sagen, um
auch nur einen Tag mit Trübsinn zu verschwenden.«
»Das kann ich mir vorstellen. Dad war der unbekümmertste Mensch, den
ich je gekannt habe«, entgegnete Rose verträumt.
Lili warf ihr einen zärtlichen Blick zu. Und dieses Gemüt hat er dir
vererbt, meine Rose, dachte sie.
»Aber wieso ist der GroÃvater schon mit neunzehn Vater geworden? Der
war doch selbst noch ein Kind«, hakte Rose nach.
Lili schmunzelte kurz, bevor sie wieder ernst wurde. »Der junge
Douglas hat in Edinburgh nicht nur die Rechte studiert, sondern auch die
Frauen. Er war wohl ein Schürzenjäger, kaum dass er zum Mann herangewachsen
war. Deshalb wusste er auch nicht, dass er ein Dienstmädchen geschwängert
hatte. Und von diesem Familiengeheimnis hätten die Munroys wohl auch nie
erfahren, wenn das Ergebnis dieser flüchtigen Liebe nicht ein paar Wochen nach
seinem Tod an einem kalten Wintertag bei GroÃmutter Mhairie vor der Tür gelegen
hätte, mit einem Zettel versehen, dass sich die junge Frau nicht anders zu
helfen wisse â¦Â«
»Dad wurde wie ein Paket bei UrgroÃmutter Mhairie abgegeben?«
»Da konnte er nur von Glück sagen. Offenbar wusste die junge Frau
über die persönlichen Verhältnisse des jungen Douglas Bescheid und dass er eine
wunderbare Mutter hatte. Angus wollte den Jungen erst in ein Heim geben, aber
als er mit eigenen Augen sah, dass es sich um einen waschechten Munroy
handelte, gehörte er auch für ihn zur Familie. Für GroÃmutter Mhairie aber war
er zeitlebens etwas ganz Besonderes. Er ist immer ihr Lieblingsenkel gewesen.
Kein Wunder, sie hat ihn aufgezogen wie einen eigenen Sohn. Er war ihr bis ins
hohe Alter sehr nahe. Vielleicht erinnerst du dich, wie er sie bis zu ihrem Tod
auf ihren Spaziergängen begleitet hat â¦Â«
»Natürlich, ich bin doch oft mitgegangen. UrgroÃmutter Mhairie
schnaufte immer wie eine Lokomotive, wenn wir endlich am Loch Meig angekommen
waren. Dann zeigte sie stets mit zitternder Hand ans andere Ufer und seufzte:
Dort drüben, mein Dusten, habe ich die Liebe erlebt â¦Â«
Rose unterbrach sich und grinste breit. »Meinst du, sie hat dort
drauÃen am See mit Artair â¦? Das habe ich als Kind gar nicht verstanden, aber
offenbar war sie einst auch eine junge Frau â¦Â« Sie kicherte.
»Ach, Rose, ich denke, was sie damit meinte, sollte ihr Geheimnis
bleiben. Was ich nur damit sagen wollte, ist, dass sich dein Vater und
GroÃmutter Mhairie immer schon sehr nahe gestanden haben.
Weitere Kostenlose Bücher