Die Rose der Highlands
ich besser sagen:
seit dieser Lord Fraser in unser Leben getreten ist?
Lili verscheuchte den Gedanken wie eine lästige Fliege und redete
sich streng ins Gewissen: Dafür, dass deine Töchter sich streiten wie die
Kesselflicker, kannst du den guten Fraser wirklich nicht verantwortlich machen.
Nein, es war allein ihre Schuld. Sie hätte sich im letzten Jahr
weniger ihrer Trauer hingeben sollen, sondern erkennen sollen, dass aus der
kleinen Rose eine junge Frau geworden war ⦠und dass aus den Stiefschwestern,
die Lili zu Friedensengeln hochstilisiert hatte, erbitterte Konkurrentinnen
geworden waren.
»Ach, Dusten, warum bist du gerade jetzt gegangen?«, murmelte Lili,
und ihr wurde bei der Erkenntnis, dass er ihr nie wieder beistehen würde,
erneut unendlich schwer ums Herz. Und sie wünschte sich von Herzen, dass das
neue Jahr besser werden möge.
26
A uf dem Weg in ihr
Schlafzimmer klopfte Lili erneut zaghaftÂ
an Roses Zimmertür. Sie erhielt keine Antwort, und als sie die Klinke
sanft herunterdrückte, war die Tür verschlossen.
»Rose, mein Liebling, hast du jetzt nicht genug geschmollt?«, fragte
sie mit sanfter Stimme.
»Lasst mich doch alle in Ruhe!«, ertönte die schroffe Antwort.
Lili holte einmal tief Luft, um ihre Bitte zu wiederholen, doch dann
ging sie weiter. Es wäre aufdringlich, Rose anzubetteln, sie möge doch bitte,
bitte die Tür öffnen. Und womit sollte Lili sie dann auch trösten?
Nimm es dir nicht so zu Herzen und zieh ein anderes Kleid an? Nein,
das würde Roses Kummer sicher nicht aus der Welt schaffen.
Als sie an Isobels Tür vorüberging, kämpfte sie kurz mit sich.
Sollte sie sich erkundigen, ob Isobel zwischenzeitlich zumindest versucht
hatte, sich bei Rose zu entschuldigen?
Sie hatte den Gedanken noch gar nicht zu Ende geführt, als sie mit
den Fingerknöcheln gegen Isobels Zimmertür pochte.
»Herein!«, ertönte es laut und vernehmlich. Lili trat zögernd in
Isobels Zimmer. Sie hatte vermutet, dass ihre Stieftochter schon mit den
Festvorbereitungen beschäftigt war, doch sie fand sie an ihrem kleinen
Damenschreibtisch vor.
»Ich bringe es nicht fertig, Mister McDowell persönlich zu
informieren. Deshalb schreibe ich ein paar Zeilen«, erklärte sie beinahe
entschuldigend.
»Ach, er wird schon jemanden finden«, erwiderte Lili rasch.
Vielleicht ein bisschen zu schnell, dachte sie, als Isobel sie nun eindringlich
musterte. Ob sie durchschaut hatte, dass Lili nur an ihre Tür geklopft hatte,
um sich wegen der Entschuldigung zu vergewissern?
Sie überlegte gerade, wie sie sich aus der Affäre ziehen konnte, als
ein wissendes Lächeln Isobels Mund umspielte.
»Lili, wie wäre es mit dir?«
Lili verstand nicht gleich.
»Du wärst doch die ideale Direktorin einer kleinen Dorfschule.«
»Ich? Oh nein, dass ich Lehrerin war, ist schon gar nicht mehr wahr.
Ich habe aufgehört, als ich noch keine dreiÃig war.«
»Nun stell dein Licht doch nicht derart unter den Scheffel! Ich
schwöre dir, du bist die ideale Besetzung. Glaub mir!«
»Ich weià nicht, ich â¦Â« Lili stockte. Es fielen ihr keine
Gegenargumente ein, auÃer dass dieser Gedanke sie aus heiterem Himmel traf. Die
Schule war für sie Lichtjahre entfernt.
»Ich glaube, dass Mister McDowell begeistert wäre, wenn du die
Schulleitung übernimmst. Und denk doch mal an dein Problem. Es wird zwar nicht
gerade fürstlich entlohnt, aber du allein könntest davon leben â¦Â«
Isobel hat recht, dachte Lili, vielleicht wäre das gar nicht so
verkehrt. Sie hätte eine Aufgabe und ihr Auskommen.
»Darf ich ihm schreiben, dass ich dich vorschlagen würde?«
»Warte noch. Die Idee kommt zu plötzlich«, wiegelte Lili ab, die
erst einmal ihr Fest hinter sich bringen und die nächsten Tage finanziell
überstehen wollte. Wobei sie den Gedanken durchaus reizvoll fand, die kleine
Dorfschule in Beauly zu leiten.
»Du hast Sorge, weil du nicht weiÃt, wie du das Fest bezahlen
sollst, oder?«
»Nein, das schaffe ich schon«, erwiderte Lili unwirsch. Es wäre
sinnlos, das Thema mit Isobel zu besprechen. Sie, die ihr als letzte Hoffnung
erschienen war, hatte ihr Geld leichtfertig einem englischen Banker in den
Rachen geworfen und konnte ihr nicht helfen. Lili mochte gar nicht daran
denken. Und ehe sie sich versah, hatte sie es bereits
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