Die Rose der Highlands
Den
Anfang hatte sie bereits im Kopf.
Lieber Liam,
ich mag Sie mehr als ich sollte. Aber verstehen Sie: Gerade deshalb ist es besser, wenn wir uns
nicht mehr sehen. Ich möchte nämlich partout keine neue Beziehung, und ich
würde Sie immer wieder enttäuschen oder sogar beleidigen, wie ich es vor ein
paar Tagen im Highland Hotel tat. Es tut mir so leid, aber deshalb ist es auch
besser, wenn ich mich wegen Little Scatwell an einen Ihrer Kollegen
Bis dahin formulierte sie die Zeilen recht flüssig, doch
weiter kam sie nicht. Weil es an dieser Stelle nicht stimmte. Sie wollte auf
keinen Fall einen anderen Anwalt als ihn! Lili atmete tief durch und stellte
sich vor, wie es wäre, wenn sie nach ihrem hässlichen Auftritt in der Bar des
Hotels in seine Kanzlei kommen würde, als wäre nichts geschehen. Nur mit der
Bitte, ob er das Anwesen für sie verkaufen könne.
Lili schnappte nach Luft, während sie sich sein verdutztes Gesicht
vorstellte. Würde er sie nicht einfach an die Luft setzen? Verständnis dafür
hätte Lili.
Ich werde im neuen Jahr darüber nachdenken, wenn ich all das hier
hinter mich gebracht habe, und das hoffentlich friedlich, beschloss Lili und
bedauerte insgeheim, dass sie heute Nacht nicht mit Liam in das Jahr 1932
feiern konnte.
Sie erhob sich rasch von ihrem Hocker, bevor sich ihre Gedanken
wieder auf Wanderschaft in die Vergangenheit oder die Zukunft machten. Der
Geruch von Haggis zog ihr in die Nase. Wenn Fiona sich wieder selber übertraf
wie in den vergangenen zwei Jahren, würde der gefüllte Schafsmagen sicher zum
Gelingen des Festes beitragen.
Es zog Lili magisch in die Küche. Dort würde sie sich am besten von
ihren Gedanken an Liam ablenken können.
»Kann ich Ihnen nicht ein kleines bisschen helfen?«
Fiona rollte mit den Augen.
»Ich habe es befürchtet. Sie sind nervös wegen des Festes und
glauben, Sie kommen auf andere Gedanken, wenn Sie uns hier zur Hand gehen,
nicht wahr?«, seufzte sie, aber in ihrer Stimme schwang ein liebevoller
Unterton mit.
»Hast du schon vergessen, dass meine Mutter �«
»Nein, wie könnte ich? Das haben Sie mir ja bereits so oft erzählt,
dass ich das Gedächtnis eines Siebes haben müsste, um das vergessen zu können.
Gut, wenn Sie unbedingt wollen â¦Â« Fiona reichte ihr ein Poliertuch und deutete
auf ein Tablett mit Gläsern. »Die müssen alle noch einmal poliert werden. Wenn
wir so etwas auf den Tisch stellen, wird man in Inverness über Sie reden!«
»Das tun die Leute auch, wenn sie sich in den Gläsern spiegeln
können«, gab Lili schmunzelnd zurück, »aber bis auf Lord Fraser kommt doch nur
die Jugend, und ich glaube kaum, dass von ihnen einer Schlieren an Gläsern
bemerkt. Sie wollen trinken und tanzen!«
»Und was ist mit Mister Brodie?«, fragte Fiona neugierig. »Ich habe
gehört, bei Misses Brodies Festen ging es immer hochfein zu. Aber nun soll sie
ja bei ihrem Liebhaber wohnen. Wie gut, dass der arme Mister Brodie nicht
allein feiern muss!«
»Mister Brodie ist verhindert«, entgegnete Lili knapp und begann mit
hartem Griff die Gläser zu polieren. Es tat gut, denn sie wischte die ganze
Wut, die sie in dieser Angelegenheit auf sich selbst hatte, in die Gläser. Als
sie fertig war und die Sektkelche in neuem Glanz erstrahlten, war sie hochzufrieden.
»Danke, dass ich mich nützlich machen durfte«, bemerkte sie.
»Also, nun haben wir wirklich nichts mehr für Sie zu tun. Es wäre
vielleicht besser, Sie würden sich jetzt umziehen«, brummte Fiona.
»Schon gut!«
Lili verlieà murrend die Küche. Eigentlich hätte sie beleidigt sein
müssen wegen Fionas Bemerkung, aber sie wusste ja, wie die Köchin es meinte.
Fiona vertrat die Auffassung, dass Lili überhaupt nichts in der Küche zu suchen
hatte, weil sie sonst das Gefühl hatte, schlechte Arbeit zu leisten. Da nützte
es auch nichts, dass Lili ihr immer wieder erklärt hatte, dass die Küche eines
Herrenhauses für sie seit frühester Kindheit ein Hort der Geborgenheit gewesen
sei. Bei Fiona stieà sie damit auf taube Ohren. Es reicht schon, dass Sie Ihr
Faible für den Küchentisch der Dienstboten an Rose vererbt haben, lautete
Fionas immer gleiche Antwort.
Es ist wie verhext, dachte Lili traurig. Jetzt, wo ich bereit bin,
ins Leben zurückzukehren, läuft alles schief. Oder sollte
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