Die Rose der Highlands
zurechtfinden könnte.
Als sie langsam die Tür öffnete, war sie darauf gefasst, dass Donald davor Wache stand. Doch es war niemand da. Geradezu eine Einladung zur Flucht. Der Felsenpfad war im Dunkeln zu gefährlich, und ob sie an dem an der Landbrücke postierten Soldaten vorbei kam, war fraglich.
Stattdessen ging sie zu dem alten Kloster. Der große, offene Raum lag in düsterer Stille da. Ein seltsames Einsamkeitsgefühl kroch in ihr hoch, als schliefen alle Menschen außer ihr in Sicherheit und Zufriedenheit.
Sie trat unter den Scheitel eines Rundbogens und breitete die Arme aus, als wolle sie den warmen Nachtwind einfangen, der vom See herüberwehte. In der Dunkelheit war nicht zu erkennen, wo das Wasser aufhörte und der Horizont begann, so dass es aussah, als trenne ein undurchdringlicher, schwarzer Vorhang diesen Teil der Welt von der übrigen.
In ihrer Phantasie wurde aus der Ruine von Gilmuir wieder die Trutzburg von ehedem, in deren Mauern Stimmen und Gelächter klangen, Schritte von Kindern, das Grummeln alter Männer und das Kichern junger Mädchen. Geräusche vieler Generationen.
So würde sie das alte Castle stets im Gedächtnis behalten – als Heimat der Geschichte von Gilmuir und Erinnerung an stolze Menschen, die noch nicht besiegt waren.
»Vergebt mir«, sagte eine Stimme.
Sie fuhr herum und sah, wie sich der Schlächter als dunkler Schatten aus den Schatten löste, deren es hier reichlich gab. Erschrocken wich sie zurück, bis sie eine steinerne Säule an ihrem Rücken spürte.
»Vergebt mir«, sagte er noch einmal und blieb etwa drei Fuß von ihr entfernt stehen. »Ich kann nicht rechtfertigen, was ich getan habe, also bleibt mir nur, Euch um Verzeihung zu bitten und Euch zu versichern, dass es nicht noch einmal geschehen wird. Ich werde künftig im Fort schlafen.«
Die Überraschung machte sie sprachlos.
Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und ging. Mit offenem Mund schaute sie ihm nach, bis er mit der Dunkelheit verschmolz.
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9
A lec stand mitten auf dem Innenhof von Fort William, doch er hörte und sah nichts von dem hektischen Treiben um ihn herum. Er hatte angekündigt, dass man heute früh das Gebiet zu patrouillieren beginnen würden, und erwartete, dass die Soldaten bei seinem Erscheinen bereits angetreten waren, doch sie machten erst jetzt Anstalten, sich zu sammeln.
Aber er nahm weder die Pferde wahr, die aus den Stallungen geführt wurden, noch die verstohlenen Blicke in seine Richtung. Stattdessen starrte er zu Gilmuir hinüber, als könne er mit den Augen die Mauern durchdringen. Er wollte zu ihr gehen, ihr gestehen, wer er war und welche Taten auf seinem Gewissen lasteten. Doch er bezweifelte, dass sie ihn anhören würde, besonders nach seinem schändlichen Verhalten in der vergangenen Nacht.
Er war bei Harrison untergekrochen, der seine Überraschung, obwohl mitten aus dem Schlaf gerissen, meisterhaft verbarg. Doch Alec hatte keinen Schlaf gefunden, hatte die Stunden damit zugebracht, gedankenverloren an die Decke zu starren.
Den größten Teil seines Lebens hatte er die Schotten für Barbaren gehalten, um dann im vergangenen Jahr eine weit größere Barbarei von den Engländern mitzuerleben. Er war zu Gehorsam verpflichtet, hatte die Befehle seines Kommandeurs in den letzten Monaten jedoch häufig missachtet. Und obwohl er sich stets als Ehrenmann betrachtet hatte, war er durch einen Traum beinahe verleitet worden, Leitis Gewalt anzutun.
Alec fühlte sich, als wäre er zweigeteilt, als wetteifere der Mann, der er gewesen war, mit dem Mann, der er im Begriff war zu werden. Allerdings erfüllte ihn diese neue Persönlichkeit mit Unsicherheit. Sie war eher schottisch als englisch, eher rebellisch als gehorsam.
Er drehte sich um und ging über den Hof zur Regimentshalle. Die Männer, die er zu der Besprechung gebeten hatte, erwarteten ihn bereits. Er setzte sich an den Kopf eines der langen Holztische.
Außer ihm und den sechs anderen Offizieren befand sich niemand im Raum.
Der Saal ähnelte der Clanhalle von Gilmuir, nur hingen hier als Zeugnisse des Nationalstolzes Flaggen an den Wänden. Auf Gilmuir waren die Wände mit Bannern und Waffen geschmückt gewesen.
Anwesend waren Hauptmann Wilmot und Hauptmann Monroe nebst Oberleutnant Castleton, die ihn von Inverness hierher begleitet hatten. Ebenfalls erschienen waren Sedgewick und dessen Adjutant, ein übertrieben dienstbeflissener Oberleutnant namens William Armstrong, der in diesem Moment damit
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