Die Rose der Highlands
spielte über seine Maske. »Ich verrate Euch noch ein Geheimnis, Leitis: Wenn ich möchte, dass etwas geschieht, dann geschieht es für gewöhnlich auch.«
Als sie zu der Stelle kamen, wo er das Boot vertäut hatte, stand der Mond über dem Horizont. Der Rabe half ihr vom Pferd, band den Korb mit den Garnen ab und reichte ihn ihr, sobald sie im Boot saß.
Er löste das Seil und warf es in das Skiff. Leitis beobachtete ihn, und sie redete sich nicht ein, dass es sein geschickter Umgang mit den Rudern war, der sie gefangen nahm, und auch nicht der Wunsch zu erfahren, wer sich hinter der Maske verbarg. Es war der
Mann
, der sie gefangen nahm, dieser Mann, der übermütig lachen konnte und durchtrieben war, der sich um Fremde sorgte und sie geküsst hatte, dass ihr fast das Herz stehenblieb.
Es war nicht klug, an diesen Kuss zu denken, aber er hatte sich so seltsam richtig angefühlt. Würde der Rabe sie wieder küssen? Die Nacht war noch nicht zu Ende, und
sie
war noch nicht am Ende mit ihrem Abenteuer als eine der wilden MacRaes.
Es war eine verzauberte Nacht, wie gemacht dafür, aus sich herauszugehen. Vielleicht sollte sie auch eine Maske tragen. Oder war sie bereits eine andere als Leitis MacRae?
Ein silbriger Schatten zuckte dicht unter der glatten Oberfläche des Sees. Sie tauchte die Hand hinein und hätte den Rücken des Fisches beinahe berührt. Sie musste lachen. »Meine Brüder brachten mir bei, wie man einen Fisch kitzelt.«
Er lächelte sie an. »Und lockten Euch vom Erwachsenwerden weg?«
»Das wollte ich damals noch gar nicht.« Sinnend schaute sie auf das dunkle Wasser. »Vielleicht spielt mir mein Gedächtnis ja einen Streich«, sagte sie, »aber alles schien größer, wichtiger. Sogar meine Gefühle. Ich war niemals einfach nur zufrieden, sondern äußerst glücklich. Niemals einfach nur wütend, sondern rasend wütend. Niemals einfach nur traurig, sondern tieftraurig.«
Wieder ließ ein Lächeln seine Zähne blitzen. Leitis beugte sich vor und berührte die schwarze Ledermaske.
»Wollt Ihr sie noch immer nicht abnehmen?«, fragte sie. »Ich werde Euch nicht verraten.«
Er umfasste ihre Hand und hielt sie fest, bis Leitis die Wärme seiner Haut durch den Handschuh spürte.
»Rebellion hat etwas Gewaltiges«, sagte sie, doch dann kamen ihr Bedenken. »Oder hätte ich das lieber nicht zugeben sollen?«
»Dann hat die Nacht Eure Erwartungen erfüllt?«
»Ich muss gestehen, dass es Augenblicke gab, in denen ich fürchterliche Angst hatte.« Sie ließ den Blick wandern. Am östlichen Horizont erschien das erste Dämmerlicht.
»Aber?«
»Aber ich fühlte mich mächtig – als könnte ich über mein Leben bestimmen.«
»Das ist Freiheit«, sagte er leise. Sie hatten das Ufer erreicht, und er legte die Ruder ins Boot. »Die Schottland genommen wurde.«
Leitis schüttelte den Kopf. »Es gibt einen Unterschied zwischen der Freiheit eines Landes und der Freiheit eines Menschen.« Sie sah ihm an, dass ihre Worte ihn überraschten.
Der Rabe musterte sie eine Weile schweigend. »Und worin besteht der?«, fragte er schließlich.
»Wenn ein Mann um die Freiheit seines Landes kämpft«, dachte sie laut, »dann kämpft er für etwas, was alle Menschen in diesem Land betrifft. Aber wenn ein Mann um seine eigene Freiheit kämpft, dann betrifft es nur ihn allein. Die Art, wie er sein Leben leben will – ob als Zimmermann oder Schmied, Fischer oder Bauer.«
Er stand auf, half ihr an Land und ging neben ihr her auf den Höhleneingang zu.
»Wenn Ihr frei wäret, Leitis«, sie waren angekommen, und er zündete die Laterne an, »was für ein Leben würdet Ihr dann leben wollen?«
Das flackernde Licht verlieh den Porträts von Ionis’ Geliebter eine zauberhafte Lebendigkeit. Leitis sprach aus, was ihr Herz ihr sagte. Das, erkannte sie plötzlich, tat sie
immer
bei diesem Mann.
»Zunächst einmal wäre ich nicht hier«, begann sie mit einem Blick zu der Treppe, die links von ihr nach oben führte. »Ich wäre nicht die Gefangene des Colonels.«
»Behandelt er Euch gut?«
»Sein Bursche meint, ich könne mich glücklich schätzen – aber ich kann nicht gehen, wohin ich will, und nicht tun, was ich will.«
»Ihr habt mir noch nicht beantwortet, was für ein Leben Ihr Euch wünscht.«
Sie ging zurück zum Ausgang der Höhle und schaute aufs Wasser hinaus. »Was für ein Leben ich mir wünsche?«, wiederholte sie. »Nicht das einer Berühmtheit, falls Ihr das meint. Meine Familie war wichtig für
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