Die Rose der Highlands
Leitis sich ohne eine Antwort zufriedengeben.
»Ich muss den Karren an einem Ort verstecken, wo die Engländer ihn nicht finden können«, sagte er gleich darauf.
Sie nickte verstehend. Der Wagen wäre den Highlandern zwar von Nutzen, doch er wäre auch ein Beweis für einen Diebstahl, den sie nicht begangen hatten.
Nicht lange danach fanden sie ein verlassenes Dorf, das versteckt in einer Falte eines Hügels lag. Das Mondlicht malte Schatten um die Hütten herum, erschuf Gestalten, die keine waren.
Der Rabe lenkte den Karren hinter eines der leeren Cottages, schirrte die Pferde ab und tätschelte ihre Hälse.
»Entweder werden sie irgendwann entdeckt oder kehren von sich aus ins Lager zurück«, erklärte er, während er den Korb an den Sattel band.
»Wir sehen wie Hausierer aus«, meinte Leitis belustigt.
»Aber wir haben nichts zu verkaufen«, gab er zurück. Er half ihr in den Sattel und entfernte sich ein paar Schritte. Als er zurückkam, sagte er: »Ich habe Euch vorhin überrumpelt und dafür möchte ich Euch um Vergebung bitten – aber meine Mutter sagte, dass eine Entschuldigung immer mit einem Zeugnis der Zerknirschung einhergehen solle.« Er streckte ihr die offene Hand hin.
Ein Büschel Heidekraut lag darain. Die meisten der gezackten, kleinen Blüten waren seinem Griff zum Opfer gefallen, doch Leitis nahm sie und hob sie wie ein Blumensträußchen mit beiden Händen an die Nase.
»Danke.« Sie war gerührt.
»Heidekraut gibt es in Hülle und Fülle hier«, sagte er leise. »Es hält sich tapfer – wie die Menschen.«
»Auch Heidekraut braucht Nahrung«, erwiderte sie, öffnete die Hände und ließ die rosafarbenen Blüten zwischen ihren Fingern hindurchrieseln.
»Es war nicht genug«, sagte er, und sie wusste, dass er von ihren Bemühungen in dieser Nacht sprach.
»Nein.«
»Es wird niemals genug sein!« Seine Stimme bebte vor Zorn.
»Ihr allein könnt die Welt nicht ändern.«
»Die Welt kümmert mich nicht – aber diese Menschen kümmern mich.«
»Ist es in ganz Schottland so schlimm wie bei uns?«
»Es ist fast überall sehr viel schlimmer«, antwortete er. »Hier waren die Engländer eher damit beschäftigt, Fort William zu bauen, als die Schotten zu tyrannisieren.«
»Gilmuir zu schleifen, reichte«, hielt sie dagegen. »Obwohl es keine Kanone dort gab und es keine Bedrohung für sie bedeutete.«
»Was ist aus all den Menschen geworden, die dort lebten?«
»Die meisten kamen ins Dorf. Manche gingen weg und manche starben.«
»Die Engländer werden nicht mehr gehen«, sagte er unvermittelt.
»Ich weiß.«
»Schottland wird nie wieder sein, wie es einmal war.«
Sie nickte. Zu diesem Schluss war sie schon vor Monaten gekommen.
»Ich frage mich, ob die Leute von Gilmuir bereit wären, Schottland zu verlassen«, sagte er nach kurzem Schweigen.
»Die Engländer würden sich freuen, wenn Schottland schottenfrei wäre – gleichgültig, wie es dazu käme.«
»Also bleiben sie nur da, um den Engländern zu trotzen?«, fragte er.
»Sie harren aus, weil Schottland ihre Heimat ist.«
»Eine Heimat muss nicht unbedingt ein
Ort
sein, Leitis.« Seine Worte überraschten sie. »Für mich verkörpern
Menschen
die Heimat. Für mich ist Gilmuir nur eine leere Hülle ohne Niall MacRae.«
»Ihr kanntet den alten Laird?«
Der Rabe nickte.
Es war offensichtlich, dass er nicht gerne über sich sprach.
»Kürzlich sagte mir jemand, man könne nicht ohne Stolz leben. Wie lange wird es dauern, bis auch er den Schotten genommen wird? Nach dem Verbot, Hochlandkleidung zu tragen und Waffen zu besitzen und Dudelsack zu spielen, ist nicht mehr viel übrig von der Kultur der Highlands.«
»Sie machen wirklich viel Aufhebens von unserer Kleidung«, meinte Leitis verwundert.
»Um die Schotten davon abzuhalten, sich zu erheben.«
»Dazu wäre mehr nötig.« Sie war wider Willen belustigt. »Wissen die Engländer nicht, dass unsere Männer auch
nackt
kämpfen würden?«
Er lachte leise, und die gespannte Atmosphäre lockerte sich.
»Wie würden sie leben? Wohin würden sie gehen?«, fragte sie einen Augenblick später.
»An einen Ort, wo sie Schotten sein können, ihre Sprache sprechen, ihre Karomuster tragen und in jeder Hand ein Messer, wenn sie wollen, und Dudelsack spielen, bis ihnen die Ohren bluten.«
Sie erkannte, dass er es ernst meinte.
»Ihr klingt wie Hamish«, sagte sie. »Mein Onkel glaubt fest daran, dass Unmögliches geschehen kann.«
Der Rabe lächelte. Das Mondlicht
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