Die Rose des Propheten 1 - Das Buch der Götter
eine Hand an seinem Arm zerrte.
Khardan fuhr herum und bedachte den Dschinn mit einem finsteren Blick. »Ja?« fragte er mit bebender Stimme. »Was gibt es, Pukah?«
»Falls du mich nicht brauchst, Sidi, möchte ich dich bitten, mich für kurze Zeit aus deinen Diensten zu entlassen. Sei versichert, Sidi, es handelt sich wirklich nur um den kürzesten aller Augenblicke. Verglichen damit, wird dir das Blinzeln deines Auges lang erscheinen. Du wirst mich nicht einmal vermissen…«
»Worauf du dich verlassen kannst! Also gut, hebe dich hinweg!«
»Ich danke dir, Sidi. Dann gehe ich jetzt. Danke ergebenst.« Er verbeugte sich, machte einen Schritt rückwärts und verbeugte sich erneut. Auf diese Weise verschwand er eiligst aus dem Blickfeld des Kalifen.
Khardan wandte sich ab, um seiner Frau zu folgen. Das Blut pochte in seinen Schläfen. Doch er mußte feststellen, daß er nun von seinen Leuten umringt war. Sie wollten von ihm wissen, wer ihn begleitete, und stritten darum, wessen Pferd den Schafhirten überlassen werden sollte, oder setzten ihm mit zahllosen anderen unwichtigen Fragen zu.
Er schaute über ihre Köpfe hinweg und hoffte, noch einen Zipfel rosenroter Seide zu erhaschen, erblickte aber nur das Durcheinander in den Lagern. Zohra war fort, die Chance vertan. Khardan wandte sich wieder seinen Männern zu. Er mußte sich erst vergegenwärtigen, daß er ja schließlich der Kalif dieser Leute war und sie von daher einen Anspruch auf ihn hatten – und zwar zu jeder Zeit.
Nur mühsam löste sich der Kalif aus der Erinnerung an rosenrote Seide und Jasminduft, um sich den anstehenden Aufgaben zu widmen. Er beantwortete die Fragen nur halbherzig. Erst als er den handgreiflichen Streit zwischen einem Akar und einem Hrana beenden mußte, kühlte seine Leidenschaft schließlich ab. Dann tauchte Majiid auf und wollte wissen, warum sein Sohn ihm nicht gleich den Kopf abgerissen habe, was die Angelegenheit ja wohl endgültig beendet hätte. Er schwor, den Schafhirten nicht einmal den elendesten Klepper aus seinem Besitz zu überlassen. Darum legte Khardan ihm noch einmal geduldig seine Gründe dar.
Den Nachmittag verbrachte er mit seinen Reisevorbereitungen. Dann war es Zeit zum Aufbruch. Khardan stand neben seinem Rappen und blickte sich um. Die Spahis auf ihren Streitrössern hatten sich hinter ihm versammelt und bildeten eine unruhige, vor Erregung wogende Menge. Mehrere Hrana hatten sich ihnen mit ihren neuen Reittieren angeschlossen. Ihre Unbeholfenheit und ihr Unbehagen auf diesen riesigen, tänzelnden Tieren überspielten sie mit stolzen, finsteren Blicken, die jedem trotzten, der behaupten wollte, sie wären nicht im Sattel geboren.
Khardan war sich sicher, daß es noch vor Ende des Ritts zu Streitigkeiten kommen würde. Sein Blick irrte von der Reisegruppe ab und suchte Zohras Zelt in der Hoffnung, sie noch ein letztes Mal zu sehen.
Die anderen Frauen des Lagers nahmen Abschied von ihren Männern. Sie gemahnten noch einmal lautstark an dieses und jenes und hielten ihre Säuglinge hoch, um sie segnen zu lassen. Die Männer beugten sich zu ihren Frauen hinab und küßten sie. Zohra war nirgends zu sehen. Plötzlich empfand Khardan den Ritt nur noch als lästige Plage und schwang sich in den Sattel. Er wendete sein Pferd und grüßte seinen Vater zum Abschied. Hufe stampften durch den Sand, ein wilder Ruf erscholl aus den Kehlen der Männer, und die Spahis galoppierten ihrem Anführer hinterher.
Als Khardan einen Ausläufer des Tel überquerte, bemerkte er mit einigem Erstaunen, daß, obwohl sie vor nicht allzu langer Zeit noch so ausgesehen hatte, als ginge sie ein, die Rose des Propheten kurz vor der Blüte stand.
14
Zur gleichen Zeit, als Khardans Leute westwärts durch die Pagrah-Wüste zur Stadt Kich ritten, zog eine Sklavenkarawane in östliche Richtung über die Ebenen des nördlichen Bas demselben Bestimmungsort entgegen. Die Reise der Sklaven verlief allerdings langsam und gemächlich. Nun, das geschah nicht aus Menschlichkeit und den Sklaven zuliebe, sondern vielmehr aus rein wirtschaftlichen Erwägungen. Denn wenn man die Ware auf den Markt brachte, nachdem sie den halben Kontinent durchquert hatte, lag ihr Preis weit unter dem eigentlichen Wert. Aus diesem Grund war es den Sklaven gestattet, mit gemächlichem Schritt zu marschieren. Zudem wurden sie gut ernährt. Doch all das spielte für Mathew keine Rolle. Er wußte nicht einmal davon. Das Elend des jungen Mannes wuchs von Tag zu
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