Die Rose des Propheten 1 - Das Buch der Götter
erscheinen.«
»Eine Dschinnia wäre mir lieber.«
»Bedaure, Prinzessin. Die Dschinnias haben unter uns den höchsten Rang inne und lassen sich nur sehr selten zu Geschäften mit Sterblichen herab. Wirst du jetzt zum Brautzelt zurückkehren, Zohra?« fragte Fedj, der vor banger Erwartung kaum zu atmen wagte.
»Ja, das werde ich«, antwortete Zohra großmütig.
Mit einem breiten Lächeln tätschelte Fedj die Hand der Prinzessin. Der Dschinn konnte Zohras Gesicht nicht sehen, da es hinter den Falten ihres Kopftuchs verborgen lag; andernfalls wäre er sicherlich weniger zufrieden mit sich gewesen.
»Darf ich dich hinunterbringen, Prinzessin?«
»Nein, gib du auf das Pferd acht.« Zohra streichelte bedauernd die Nüstern des Tieres. »Wir werden ein anderes Mal zusammen ausreiten«, versprach sie dem Hengst.
»Was ist mit den Wachen?« Fedj deutete auf mehrere kräftige Männer vom Stamm ihres Vaters, die um das Zelt herum Posten bezogen hatten. Plötzlich bemerkte er, daß ein Wächter in seltsamer Haltung an einer abseits stehenden Palme lehnte. »Ah, wie ich sehe, hast du dich bereits ihrer angenommen. Er ist doch nicht etwa tot, oder?«
»Nein!« antwortete Zohra spöttisch. »Es handelt sich um einen Zauberspruch, den man benutzt, um Säuglinge, die ihre ersten Zähne bekommen, in den Schlaf zu wiegen. Möglich, daß er beim Aufwachen nach seiner Mutter schreit«, erklärte die Prinzessin mit gleichgültigem Achselzucken, »aber er wird aufwachen. Leb wohl, Fedj.«
Zohra machte sich auf den Weg und rutschte durch den losen Sand und Kies den Hang des Tel hinunter. Unvermittelt blieb sie noch einmal stehen und sah zu dem Dschinn hinauf. »Übrigens, wie geht es meinem Vater? Ich habe gehört, daß er im Kampf verwundet worden ist.«
»Es geht ihm gut, Prinzessin«, antwortete Fedj, dem erst jetzt auffiel, daß Zohra nicht schon früher danach gefragt hatte. »Der Schwerthieb hat ihn nicht lebensgefährlich verletzt.«
»Es wäre ihm nur recht geschehen«, bemerkte Zohra kühl. Sie drehte sich wieder um und Setzte ihren Abstieg fort, wobei sie achtlos die Rose des Propheten unter ihren Stiefeln zertrat.
Zehn Jahre war Zohras Mutter, eine verständige, schöne Frau und eine mächtige Zauberin, schon tot. Sie war nicht nur Jaafars Hauptfrau, sondern auch seine Lieblingsfrau gewesen, die ihm viele Söhne und eine einzige Tochter geboren hatte.
Traurig pflegte Jaafar zu sagen, daß die eine Tochter ihm mehr Kummer bereite als alle seine Söhne. Zohra war klug, von einem starken Willen beseelt und in der Magie sogar noch bewanderter als ihre Mutter, doch der mütterliche Einfluß hatte unglücklicherweise schon mit zwölf Jahren ein jähes Ende gefunden. Fatima hätte ihrer Tochter beibringen können, diese Klugheit zum Wohle des eigenen Volks zu nutzen und die Magie sinnvoll einzusetzen, um den rauhen Überlebenskampf der Hrana zu meistern. Doch ohne die führende Hand ihrer Mutter verwendete Zohra ihre Gaben nur dazu, sich auszutoben.
Die Männer ihres Stammes waren für die Schafe verantwortlich. Sie trieben die Herden von Weide zu Weide und wehrten Räuber ab. Die Frauen trugen die Verantwortung für das Lager und nutzten ihre magischen Fähigkeiten im Haushalt. Sie errichteten die Jurten, kochten die Mahlzeiten und heilten die Kranken. Zohra empfand die Frauenarbeit als langweilig und die Enge des Haremzeltes als erdrückend. In alten, abgetragenen Gewändern ihrer Brüder entfloh sie immer wieder dem Harem, um sich bei den rauhen, sportlichen Spielen der Jungen zu vergnügen. Jaafars Frauen wagten es nicht, das Mädchen zurechtzuweisen, denn Zohras Vater, der sich immer noch über den Tod seiner Lieblingsfrau grämte, ertrug es nicht, seine Tochter, die ihrer Mutter so ähnlich sah, unglücklich zu sehen.
Wenn seine Frauen ihm berichteten, daß Zohra wieder einmal gesehen worden war, wie sie mit den Hirtenhunden in den Bergen herumtollte, pflegte er nachsichtig zu antworten: »Das wird sich schon noch geben.«
Die Jahre gingen ins Land, und Zohra entwuchs den abgelegten Kleidern ihrer Brüder, aber sie entwuchs nicht ihrer wilden und rebellischen Natur. Ihre Brüder, die als erwachsene Männer nun ihre eigenen Frauen besaßen, empörten sich jetzt über das unweibliche Benehmen ihrer Schwester und versuchten, Jaafar davon zu überzeugen, seine Tochter strenger in die Zucht zu nehmen. Besorgt gestand sich Jaafar ein, irgendwann im Laufe ihrer Erziehung einen Fehler gemacht zu haben, aber er wußte
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