Die Rose des Propheten 1 - Das Buch der Götter
geheimnisvollen, kaum faßbaren Duft der Wüste selbst enthielt.
Ihm kam die Geschichte eines Nomaden in den Sinn, der so unermeßlich reich geworden war, daß er in die Stadt zog. Der Nomade ließ sich einen herrlichen Palast erbauen und befahl, daß in den Lehm der Wände eines jeden Raums die Essenz Tausender zerstoßener Blüten gemischt wurde. Der Besucher, der Gemach um Gemach durchschritt, wurde überwältigt von dem Duft der Rosen, Orchideen und Orangenblüten. Schließlich gelangte der Gast über eine Mauer in den letzten Raum, der keine Fenster und Türen aufwies, aber zum Himmel hin offen lag.
»Das ist mein Raum!« sagte der Nomade stolz und sog dabei die Luft tief und genüßlich ein.
Der Besucher schnüffelte erwartungsvoll. »Aber ich rieche nichts«, meinte er verwirrt.
»Der Geruch der Wüste«, entgegnete der Nomade mit sehnsüchtigem Verlangen.
Und wirklich, die Wüste duftete: ein reines, herbes Aroma, der Geruch nach Wind, Sonne, Sand und Himmel. Khardan atmete wieder und wieder in tiefen Zügen. Hier fühlte er sich stark und lebendig. Heute war seine Hochzeitsnacht. Eine Jungfrau von zweiundzwanzig Jahren erwartete ihn. Obwohl sie als eine außerordentliche Schönheit galt, sagte man ihr nach, auch noch ausgesprochen temperamentvoll zu sein. Dieser Gedanke berauschte ihn mehr als Kumys.
Weder der Kalif selbst noch irgendeiner der Männer seines Stammes hatten Zohra jemals ohne Schleier gesehen. Aber er wußte, wie sie aussah, zumindest bildete er sich das ein. Gleich nachdem Majiid seinen Entschluß verkündet hatte, seinen Sohn mit der Hrana-Prinzessin zu verheiraten, hatte Khardan seinen Dschinn Pukah heimlich losgeschickt, um Nachforschungen anzustellen.
Der Dschinn hatte unsichtbar über dem Lager der Schafhirten geschwebt und war der verschleierten Zohra mehrere Tage lang gefolgt. Schließlich wurde seine Geduld belohnt, als die junge Frau sich auf einem ihrer langen, einsamen Streifzüge an einem Bach entkleidete und badete. Der Dschinn verbrachte den Nachmittag damit, sie zu beobachten, dann suchte er nicht etwa seinen Gebieter, sondern Fedj auf, Jaafars Dschinn.
Pukah fand den älteren Unsterblichen faulenzend in seinem Ring. Auch wenn der Ring etwas kleiner und enger als die meisten Behausungen der Dschinnen ausfiel, war er für Fedj wie geschaffen, denn der ältere Dschinn pflegte auf seine Habe sorgfältig zu achten. Jedes Stück hatte seinen festen Platz. Der Ring war wohl prächtig dekoriert, aber nicht so mit Möbeln vollgestopft wie viele andere Behausungen der Unsterblichen. Ein oder zwei geschnitzte Holzstühle, eine Bank mit seidenen Kissen, die ihm als Lager diente, eine schmucke Wasserpfeife in der Ecke und einige sehr, sehr seltene Teppiche verschönten die goldenen Wände seines Rings. Ein wahrlich gemütliches Heim.
»Salam aleikum, o Einzig Erhabener.« Pukah erwies ihm die Ehrerbietung, die einem älteren und höherstehenden Unsterblichen geziemte. »Darf ich eintreten?«
Ein Dschinn durfte niemals die Wohnstatt eines anderen betreten, bevor er nicht darum gebeten wurde.
»Was willst du?« Fedj sog den Rauch durch das Wasser der Pfeife und starrte Pukah mißmutig an. Weder konnte er den jungen Dschinn leiden, noch traute er ihm – erst recht nicht, wenn er sich respektvoll und höflich benahm.
»Ich komme mit einem Auftrag meines Gebieters, des großmütigen Kalifen«, antwortete Pukah demütig. »Und da mir deine unendliche Weisheit bekannt ist, bin ich gekommen, um bei dir Rat zu erbitten, wie ich meinen Auftrag erfüllen kann, o Einzig Allwissender.«
Fedj grollte: »Nun gut, tritt ein. Aber bilde dir ja nicht ein, es bestände zwischen uns etwas anderes als Feindschaft, nur weil unsere Stämme jetzt vereint sind. Auch wenn dein Herr noch tausend Töchter meines Gebieters heiratete! Meinetwegen sollen ihm die Ameisen die Augen aus dem Kopf fressen, wenn sie das überhaupt wollen. Und für dich gilt dasselbe.«
»Auch deine Augen seien gesegnet, o Fedj der Prächtige«, entgegnete Pukah und ließ sich mit gekreuzten Beinen auf einem Kissen nieder.
»Also, was willst du?« wollte Fedj wissen und starrte den jungen Dschinn unverwandt an. Er war sich nicht sicher, ob er gerade beleidigt worden war. »Beeile dich. Hier stinkt es plötzlich nach Pferdemist. Einfach ekelhaft.«
»Mein Gebieter verlangt von mir, seine Braut anzuschauen und mich ihrer Schönheit zu versichern«, überging Pukah die Bemerkung elegant und mit einem Gesicht, das so
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