Die Rose des Propheten 1 - Das Buch der Götter
massiven, mit Schnitzereien verzierten Holztor der Kathedrale geleitete, wanderten beide aus Quars Sicht zum schmiedeeisernen Tor seines Palastgartens. Dort verbeugten sie sich knapp und gingen auseinander.
Doch sobald Promenthas allein war, kehrten seine Gedanken zu den abgeschlachteten Priestern und Weisen zurück. Mit gesenktem Kopf und hinter dem Rücken verschränkten Händen wandelte der Gott den Mittelgang zurück, da bemerkte er plötzlich eine Gestalt vor dem Altar.
»Akhran«, grüßte Promenthas wenig erbaut. Es war bekannt, daß die Anhänger des Wandernden Gottes ihren Anteil an den Morden hatten, obwohl er zugeben mußte, daß sie nicht im Namen der Religion, sondern vielmehr im Namen des Diebstahls, der Blutfehde und des Krieges die Fremden erschlagen hatten. »Was führt dich hierher?«
Der Wandernde Gott war in ein fließendes schwarzes Gewand gekleidet, das er über einem langen weißen Hemd und ebenso weißen Hosen trug, Kopf und Gesicht waren in schwarze Tücher gehüllt. Mit diesen Kleidern schien er eher mitten in einen wütenden Sandsturm zu passen als in die kühle Ruhe der Kathedrale. Schwarze, stechende Augen unter messerscharfen Brauen fesselten wachsam Promenthas’ gütigen Blick, der nun durch den Schatten der Sorge getrübt war.
»Ich habe dich gewarnt«, erklang die tiefe, durch den Haik gedämpfte Stimme. »Aber du wolltest nicht auf mich hören.«
Promenthas runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst.«
»Doch, von dem Dschihad.«
»Tut mir leid, ich verstehe nicht…«
»Dschihad. Die Bezeichnung meiner Gläubigen für den ›Heiligen Krieg‹. Er hat schon begonnen. Evren und Zhakrin sind tot, ihre Unsterblichen verschwunden, und nun sind deine Anhänger dahingemetzelt in den Ländern Quars.«
Gelassen betrachtete Promenthas den anderen Gott. Akhran schien wie immer zu kraftvoll, zu wild, zu ungezähmt, um innerhalb der Enge der steinernen Kathedralgemäuer genügend Raum zu finden. Der Wandernde Gott fühlte sich unbehaglich und schaute sehnsüchtig zu den breiten Holztoren hinüber, die ins Freie führten, doch er blieb an seinem Platz, entfernte nur seinen Schleier und befreite sich durch tiefe Atemzüge. Eine wahrlich imposante und beherrschte Gestalt.
Bei Sul! Promenthas erkannte erstaunt, daß sich Akhran wirklich in der Kathedrale befand! Der Wandernde Gott hatte seine innig geliebte Wüste verlassen und war freiwillig in Promenthas’ Umgebung gekommen! Seit Anbeginn der Zeit war kein Gott dazu bereit gewesen.
Promenthas hätte eigentlich darüber erfreut und geschmeichelt sein sollen, doch er fröstelte nur vor Kälte. So beschleunigte er seinen Schritt und erreichte den Altar.
»Wenn das wahr ist, was du uns an jenem schrecklichen Tag erzählt hast«, begann er zögernd und blieb vor Akhran stehen, »warum sind dann auch Quars eigene Unsterbliche verschwunden?«
»Ich habe eine Vorstellung, aber noch keinen Beweis. Wenn meine Befürchtung zutrifft, befinden wir uns in höchster Gefahr.«
»Was befürchtest du?«
Der stolze Akhran schüttelte den Kopf, der mit dem dunklen, faltigen Tuch des Wüstenbewohners umwickelt war. Seine tiefschwarzen Brauen zogen sich wie die Flügel eines herabstürzenden Falken zusammen. Darunter glühten seine unerbittlichen Augen. Aus purer Gewohnheit versuchte Promenthas, seinen Bart zu glätten, stellte dabei aber verwirrt fest, daß seine Hand unübersehbar zitterte. Ohne darüber nachzudenken, führte er die Hände zu einer andächtigen Haltung zusammen. »Möglicherweise hast du recht, Akhran. Vielleicht haben wir zugelassen, daß Quar uns alle zum Narren hält. Aber was will er damit erreichen?«
»Darüber kann es doch keinen Zweifel geben. Er will der höchste Gott werden, der einzige Gott. Nach und nach wird Quars Herrscher seinen Einflußbereich ausdehnen, und die Imams werden immer mehr Macht erlangen. Die Menschen, die in ihre Fänge geraten, werden entweder unverzüglich getötet, wie es bei deinen Gläubigen der Fall war, oder sie werden vor die Wahl des Dschihad gestellt – tretet über oder sterbt. Unsere Gefolgschaft wird immer mehr an Boden verlieren. Wir werden abnehmen und… schließlich… vollständig verschwunden sein.«
»Das ist unmöglich!«
»Wirklich? Du hast es doch erst vor kurzem mit eigenen Augen gesehen. Wo sind denn Evren und Zhakrin jetzt?«
Für lange Zeit schwieg Promenthas, während er sich an den Bericht seines Engels über das Gemetzel unter seinen Anhängern erinnerte:
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