Die Rose des Propheten 1 - Das Buch der Götter
wild. Erlaubte sie ihm einen Kuß?
Seine Sinne drohten sich zu verwirren. Wollte sie ihn mit ihrer Zauberei narren? Wütend stieß Khardan sie von sich, daß sie zwischen ihre Parfümflaschen und Hennakrüge stürzte. »Danke Hazrat Akhran, daß du noch am Leben bist, meine Teuerste!« Khardan machte auf dem Absatz kehrt und stürmte aus dem Zelt.
»Das werde ich nicht!« schrie Zohra ihm hinterher. »Lieber will ich sterben, als weiter mit dir verheiratet sein, du, du… du…«
Wut verschlug ihr den Atem. Sie warf sich schluchzend aufs Bett und überließ sich ihren Tränen. In den Augen ihres Mannes waren Ekel und Abscheu gewesen… als sie sich ihm hingeben wollte.
Khardan stieß einen ohnmächtigen Schrei aus, als er durch das Lager stampfte. Widerstreitende Gefühle tobten in seiner Brust. Keine Frau sollte Macht über ihn haben. Er würde sie zu ihrem Vater zerren, sie der schändlichen Hexerei anklagen und mit Genugtuung zusehen, wie sie aus dem Stamm gejagt wurde…
Und der Duft von Jasmin stieg ihm in die Nase. Kummer und Pein überfielen sein Herz. Ihr Öl klebte an seinen Händen.
10
Als habe Akhran selbst seinen Segen auf die Hrana niedergehen lassen, so heiß und schwül zog der Tag des Raubzugs herauf. Am Morgen war eine Wolkenbank von den Bergen im Westen heruntergetrieben. Sie brachte einen feuchten Wind und vereinzelte Regenschauer mit sich, die jedoch verdunstet waren, noch bevor sie die heiße Erde erreicht hatten. Gegen Nachmittag brach der Regen schließlich ab, nur die Wolken lösten sich nicht auf. Gegen Abend gewann ein jeder den Eindruck, als ob die Luft immer dichter und schwerer geworden wäre. Blitze zuckten am Horizont, und die Temperatur sank innerhalb kürzester Zeit. Die Batir legten schwere Mäntel aus krausem Schaffell über ihre Gewänder, die sie auf ihrem langen Heimritt vor der Kälte schützen sollten, und umhüllten die Köpfe mit dunklen Tüchern, die sie sich auch über das Gesicht zogen, wo sie ihnen gleichzeitig als Mundschutz dienten.
Alle waren mit Schwert und Dolch gut gerüstet. Ihre Augen, die man über den Tüchern kaum ausmachen konnte, blitzten hart und kalt wie der Stahl, den sie an den Hüften trugen. Keiner machte sich etwas darüber vor, daß es im Falle ihrer Entdeckung einen Kampf auf Leben und Tod gäbe. Die Krieger waren zu dieser Auseinandersetzung nicht nur bereit, sondern sie drängten geradezu darauf, sie zu wagen. Endlich konnten sie zurückschlagen und ihrem Feind einen tödlichen Stoß versetzen.
»Und ich sage dir, geh nicht, Schwester!« Ein zischendes Flüstern durchdrang die Dunkelheit. »Es ist zu gefährlich.«
»Und ich sage dir, wenn ich nicht gehe, wird sich keiner von euch auch nur einen Fußbreit von diesem Ort entfernen können.«
»Du bist eine Frau, und es schickt sich nicht.«
»Ja, ich bin eine Frau. Aber wer von euch Männern könnte es übernehmen, die Tiere mit magischer Kraft ruhig zu halten, bis wir sie aus dem Lager gebracht haben? Du etwa, Sayah? Oder du, Abdullah? Pah!«
Zohra zog einen schwarzen Schleier über das Gesicht und wandte sich ab. Offensichtlich war der Wortwechsel für sie beendet. Die jungen Männer, die sich unter den Büschen aus hohem Gras zusammendrängten, das am Wasser der Oase wuchs, schüttelten den Kopf. Doch keiner von ihnen setzte das Wortgefecht fort.
Zohras Magie war ohne Zweifel für sie unentbehrlich, um mit den Pferden zurechtzukommen, zumal einige Männer noch nicht einmal reiten konnten. Die meisten hatten die ganze Woche damit zugebracht, die Spahis heimlich zu beobachten: Sie hatten genau verfolgt, wie sie auf die Pferde stiegen, welche Worte sie benutzten, um die Tiere zu lenken, wie oft sie die Pferde fütterten und tränkten und was sie ihnen zu fressen gaben. Die einzige Frage, die für die Hrana unbeantwortet blieb, lautete, wie sich die Pferde wohl gegenüber Fremden verhielten. Hier konnte Zohras Magie von Nutzen sein – ihre Magie und ihre Erfahrungen mit den Tieren. Die Männer wußten ihre Anwesenheit sehr wohl zu schätzen, doch vor die Wahl gestellt, wäre jeder lieber mit einem Sack voller Schlangen in die Wüste gezogen als mit der unberechenbaren, hitzköpfigen Tochter ihres Scheichs.
»In Ordnung, ihr könnt kommen«, flüsterte Sayah. »Sind alle bereit?«
Die Hrana hatten Sayah für diesen Überfall als Anführer ausgewählt. Er war Zohras Halbbruder, nur wenige Monate jünger als sie und noch unverheiratet. Im Gegensatz zu seiner leicht aufbrausenden
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