Die Rose des Propheten 1 - Das Buch der Götter
den Tagen meines Ur-Ur-Urgroßvaters und höchstwahrscheinlich noch wesentlich länger. Doch nun ist es endlich an der Zeit, das Reich der Sterblichen zu verlassen und in den Genuß der himmlischen Freuden zu gelangen, wenn zauberhafte Dschinnias deine Tage verschönen und deine Nächte versüßen, nicht wahr?«
Wie konnte Khardan auch ahnen, daß er mit diesen Worten dem Stachel, der in Sonds Seele steckte, noch einen weiteren Stoß versetzte. Der Dschinn fuhr vor Schmerz zusammen und verbarg seine Seelenqual, indem er sich vor dem Kalifen auf die Knie warf. Khardan sah darin ein weiteres Zeichen seiner tiefen Ergebenheit, und als er in sein Zelt zurückkehrte, kamen ihm beinahe die Tränen.
Lange nachdem der Kalif gegangen war, kroch Sond noch auf den Knien durch den Wüstensand und hieb mit geballten Fäusten auf den vom Wind verwitterten Felsen ein, bis sein unsterbliches Fleisch zu bluten begann.
Er hatte nicht nur sein eigenes Volk verraten, sondern auch seinen Gott. Akhran der Wanderer war nicht gerade für seine Gnade bekannt. Seine Strafe fuhr schnell, hart und unerbittlich auf das jeweilige Opfer nieder. Sond hegte keinen Zweifel daran, daß der Gott die Treulosigkeit seines Dschinns entdecken würde. Er konnte sich zwar zugute halten, daß er das alles nur für seine Geliebte getan habe, doch was bedeutete schon das Leben einer einzigen Dschinnia, verglichen mit der alles umfassenden Himmelsordnung?
Sond hatte sogar erwogen, Akhran selbst aufzusuchen und dem Gott mitzuteilen, daß eine seiner Unsterblichen gefangengenommen worden wäre, aber er hatte diese Idee im gleichen Augenblick wieder verworfen. Denn ihm war klar gewesen, daß so eine Nachricht den Gott wohl erzürnen, sich der Zorn jedoch gegen Quar richten würde. Folglich würde der Wandernde Gott in seiner Verärgerung niemals auf Quars Forderungen im Austausch für Nedjmas unversehrte Heimkehr eingehen, noch würde er Sond jemals die Erlaubnis dazu erteilen, die Forderungen zu erfüllen. Akhrans rasende Wut mochte sogar zu unüberlegten Schritten führen, die für Sond bedeuten würden, Nedjma für immer zu verlieren.
Diese Schlußfolgerungen ernüchterten Sond. Wenn überhaupt jemand in Frage kam, Nedjma zu befreien, so war er es, er und kein anderer.
»Und wenn ich das wirklich schaffe, o Ehrwürdigster, werde ich freudig jede Strafe auf mich nehmen, die du mir auferlegst«, gelobte Sond feierlich und blickte zum Himmel auf.
Nachdem er wieder seinen Frieden gefunden hatte und überzeugt davon war, das Richtige getan zu haben, raffte er sich auf, seinen täglichen Pflichten nachzukommen. Auf dem Weg zu Majiids Zelt ging er am Fuß des Tel entlang. Der Dschinn warf einen kurzen Blick auf die Rose des Propheten. Die Kakteen schienen zu vertrocknen. Die fleischigen grünen Stämme hatten eine kränkliche, braune Farbe angenommen, und die Stacheln begannen bereits auszufallen.
Nun, du wirst bald zu trinken bekommen, dachte Sond grimmig. Und zwar Blut.
9
Khardan traf sich heimlich mit seinen zuverlässigsten Männern und unterrichtete sie von dem bevorstehenden Überfall der Hrana. Zum Glück hatte er schon einen Plan gefaßt, wie das drohende Unheil vereitelt werden konnte. Als die Spahis von dem ungeheuren Frevel hörten, wollten sie schon voller Zorn losstürzen und den Hrana eine Lektion erteilen. Nur gut, daß Khardan, dessen anfangs genauso entflammter Zorn nun kalter Wut gewichen war, sie beruhigen konnte.
Auch Zohra hielt eine geheime Beratung mit ihren Männern ab. Anfangs zeigten die Hrana ganz offen ihren Widerwillen, sich mit einer Frau zu treffen, zumal mit einer Frau, die sie jetzt als ihre Feindin erachteten. Ein Stich fuhr Zohra durchs Herz, als sie das unverhohlene Mißtrauen ihrer Männer spürte. Sie blickte einen nach dem anderen an. Viele waren ihre Halbbrüder, ihre Cousins oder Neffen. Doch Zohra sah nur in dunkle Gesichter mit argwöhnischen Augen. Schamesröte schlug ihr bei dem Gedanken ins Gesicht, daß sie sich beinahe dem überheblichen Kalifen unterworfen hätte und damit tatsächlich zu einem Feind ihres Volkes geworden wäre.
Akhran sei Dank, es war nicht geschehen! Gerade noch rechtzeitig wurden ihr die Augen geöffnet.
Mit eindringlicher Stimme erzählte sie von dem Leiden, das ihren Stammesangehörigen durch die Hände der Akar widerfahren war. Sie erinnerte die Männer an die herannahende Zeit, da die Lämmer geboren wurden, eine Zeit, in der die Herden für räuberische Überfälle am
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