Die Rose des Propheten 1 - Das Buch der Götter
verwundbarsten waren. Wort für Wort gab sie wieder, wie sie ihren Mann um Pferde für die Hrana gebeten hatte und auf welche verletzende Weise diese Bitte abgeschmettert wurde. Schließlich eröffnete sie ihren Plan, sich trotzdem die Pferde zu verschaffen.
Gebannt lauschten die Männer Zohras Worten. Das Mißtrauen wich dem Zorn, den sie beredsam mit eindrücklichen Bildern der erlittenen Qualen wachgerüttelt hatte; Zorn, der zur wilden Raserei entflammte, als sie von Khardans Beleidigungen erzählte, und schließlich in ungezügelte Begeisterung für Zohras Raubzug umschlug. Endlich wären sie nicht mehr Opfer, sondern übten Vergeltung an den Akar. Süß würde die Rache sein!
Eine trügerische Ruhe hatte sich über die Tel-Oase gelegt. Beide Stämme waren von ihren Führern angewiesen worden, sich zu keinen unüberlegten Handlungen hinreißen zu lassen, denn das hätte nur die Aufmerksamkeit der anderen geweckt. Alle richteten sich darauf ein, noch eine Woche auszuharren. Noch nie war die Zeit so langsam vergangen! Nacht für Nacht beobachteten die Nomaden voll Ungeduld den abnehmenden Mond, der sein bleiches Licht über die Wüste ergoß und alles in trostloses Grau tauchte. Manch einer entdeckte beklommen, daß sich die Rose des Propheten zusammenrollte wie eine sterbende Spinne. Durch den krassen Schattenwurf wirkte sie im Mondlicht besonders häßlich.
Dabei verströmten die ausgetrockneten Kakteen den bestialischen Geruch der Verwesung.
Für die ungeduldigen Nomaden, die ihr Denken und Handeln an den kurzen Fristen des wechselvollen Wüstenlebens ausrichteten, war das Warten und die erzwungene Verschwiegenheit die reinste Folter. So knisterte die Luft in den Lagern vor Spannung. Beide Scheichs wußten, daß sich ein Unwetter über ihren Köpfen zusammenbraute. Jaafar wurde so nervös, daß er nichts mehr essen konnte. Und Majiid verlangte von seinem Sohn ein ums andere Mal, über Unstimmigkeiten aufgeklärt zu werden. Aber der nun stets düster wirkende Khardan teilte ihm jedesmal mit, daß keine Schwierigkeiten vorlägen und er Majiid im Ernstfall schon Bescheid gäbe.
Khardan grinste grimmig in Vorfreude auf das zu erwartende Blutbad und schärfte gewissenhaft seinen Säbel.
Die beiden Dschinnen Fedj und Sond waren von ihren Gebietern ausgesandt worden, den jeweils anderen heimlich im Auge zu behalten. Doch in ihrem Übereifer fielen die beiden dauernd auf, wie sie im Lager um die Zelte schlichen, sich wütend anknurrten und damit die Unruhe noch weiter steigerten. Pukah, der genau zu wissen glaubte, was hier vor sich ging, hatte riesigen Spaß an diesem Spiel. Kopfzerbrechen bereitete ihm nur die Frage, zu welchem Zeitpunkt Sond den Zorn Akrans über die beiden Stämme bringen wollte. Usti war nicht wenig stolz auf seinen Plan, dem er schließlich ein genüßliches Leben verdankte. Seine Kohlenpfanne erhielt einen Ehrenplatz im Zelt seiner Gebieterin, für die er nun keine niederen Arbeiten mehr zu verrichten brauchte. Auch jagte Zohra ihn nicht mehr aus dem Zelt und unterbrach ihn kein einziges Mal beim Essen.
Nach außen hin blieb die Beziehung zwischen Zohra und Khardan unverändert. Wie eh und je sprach keiner von ihnen ein Wort, wenn sich ihre Wege kreuzten. Und trafen sich ihre Blicke einmal zufällig, wandten beide ihre Köpfe gleichmütig ab, obwohl zumindest Khardan sich äußerst beherrschen mußte, ihr nicht die verdammten schwarzen Augen auszustechen, die ihn in einem Anflug von triumphierendem Spott anfunkelten. Er war nahe dran, noch vor Ablauf der Woche den Verstand zu verlieren.
Als die nervenaufreibenden sieben Tage zur Hälfte verstrichen waren, überbrachte Pukah seinem Meister eine wichtige Nachricht, die Khardan erlaubte, seiner angestauten Wut endlich Luft zu machen. Da er nicht wagte, seine Gemahlin offen anzugreifen und damit das Vorhaben unverantwortlich zu gefährden, war er hocherfreut, durch die Botschaft einen Dolch in Händen zu halten, mit dem er ihrer offenkundigen Selbstgefälligkeit einen oder zwei ordentliche Stiche versetzen konnte.
Nach ihrem frühmorgendlichen Ausritt war Zohra in ihr Zelt zurückgekehrt. Als sie sich gerade vom Schweiß und Schmutz befreit und die Haut mit Duftölen eingerieben hatte, riß Khardan plötzlich und ohne die geringste Vorwarnung die Eingangsplane hoch. Rücksichtslos stürmte er ins Zelt.
»Sei gegrüßt, Weib«, polterte er.
Erschrocken fuhr Zohra herum, das lange schwarze Haar peitschte wie eine Geißel über ihren nackten
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