Die Rose des Propheten 2 - Das Buch Quar
konnte nicht anders. Die stechenden Mandelaugen hielten ihn weit mehr gefangen, als wenn der Priester ihn in Ketten gelegt hätte. Vor lauter Furcht und Scham darüber fühlte sich Achmed außerstande, irgend etwas zu sagen. So folgte er den Anweisungen seines Bruders und betete, daß sie diesem schrecklichen Ort entkommen würden.
»Ich ziehe es vor, mich persönlich vorzustellen«, sagte der Emir. »Mein Name ist Abul Kasim Kannadi, General der Armee des Herrschers und jetzt Emir von Kich. Der ehrwürdige Herr hier«, er deutete auf den Priester, »ist der Imam.« Der Priester regte sich nicht, fuhr aber fort, Khardan anzustarren, und das heilige Feuer, das in ihm loderte, brannte immer heftiger. Khardan wurde von der Flamme erfaßt. Wie sein Bruder konnte auch er seinen Blick nicht einfach abwenden.
»Ich… glaube, daß wir unser Geschäft schnell abschließen können, o König.« Khardan wirkte leicht aus der Fassung gebracht. »Meine Männer warten in der Nähe des Tempels auf mich.« Mit fast körperlicher Anstrengung riß er sich von dem Blick des Imams los. Beunruhigt schaute er sich im Raum um. »Innerhalb von Mauern kann ich mich nicht wohl fühlen.«
Der Emir nickte einem Schreiber zu, der mit einem Bündel Papiere vortrat, wandte sich ihnen kurz zu und schaute dann wieder auf Khardan. »Wie ich den Büchern entnehmen kann, willst du, wie jedes Jahr, die Pferde deines Stammes zum Verkauf anbieten«, meinte der Emir, während er mit seinen dunklen Augen den Kalifen kalt musterte.
»Das ist richtig, o König.«
»Weißt du nicht, daß sich seit deinem letzten Besuch viel verändert hat?«
»Einige Dinge verändern sich nie, o König. Eines davon ist der Bedarf der Armee an guten Pferden. Und unsere Pferde«, Khardan hob stolz den Kopf, »sind die besten der Welt.«
»So stört es dich nicht, deine Pferde an die Feinde des einstigen Sultans zu verkaufen?«
»Der Sultan war nicht mein Freund. Er war auch nicht mein Feind. Deshalb sind seine Feinde weder meine Freunde noch meine Feinde. Wir haben miteinander Geschäfte gemacht, o König«, erklärte Khardan kurz und bündig. »Das war alles.«
Der Emir hob eine Augenbraue; man konnte unmöglich erkennen, ob ihn die Antwort verwirrte oder beeindruckte. Dem teilnahmslosen Gesicht war nichts zu entnehmen. »Welchen Preis verlangst du?«
»Vierzig Silbertumane für ein Pferd, o König.«
Als der Emir sich wieder den Papieren zuwandte, flüsterte der Schreiber ihm etwas ins Ohr und deutete auf eine Reihe von Zahlen, die für Khardan wie Vogelspuren auf einem Tuch aussahen.
»Das ist mehr als im letzten Jahr«, merkte der Emir an.
»Wie Ihr schon sagtet…«, entgegnete Khardan kalt und warf einen Blick zur Vorhalle, in der sie durchsucht worden waren, »… haben sich einige Dinge verändert.«
Der Emir lächelte tatsächlich – ein Lächeln, bei dem sich nur ein Mundwinkel tiefer in den Bart grub –, las erneut in den Papieren und strich sich nachdenklich über das Kinn. Khardan rührte sich nicht. Er hielt die Arme vor der Brust verschränkt und schaute überall hin, nur nicht zum Imam. Achmed, unbeachtet und vergessen, spähte ständig zum Ausgang, der verschlossen war, und wünschte sich zurück in die Wüste.
»Darf ich dich etwas fragen, Kalif?« Die Stimme des Imams zitterte wie eine Flamme. Khardan zuckte zusammen, als hätte sie ihn verbrannt. Er schaute zum Emir, der scheinbar in die Zahlen des Pferdeverkaufs vom letzten Jahr vertieft war. Widerwillig und mit finsterem Blick wandte sich Khardan dem Priester zu.
»Du bist ein Kafir, ein Ungläubiger, nicht wahr?«
»Nein, das ist nicht richtig, Heiliger. Mein Gott und der Gott meines Stammes ist Akhran der Wanderer. Unser Glaube an ihn ist unerschütterlich.«
»Jedoch unergiebig, nicht wahr, Kalif? Ich frage mich«, der Imam spreizte die langgliedrigen Finger, »was er für euch zu tun vermag, dieser wandernde Gott? Ihr lebt in den grausamsten Regionen, wo jeder Tropfen Wasser so kostbar ist wie ein Juwel, wo die Hitze der Sonne das Blut zum Kochen bringt, wo einen Sandstürme erblinden lassen und das Fleisch von den Knochen reißen. Deine Leute sind arm. Sie sind gezwungen, in Zelten zu leben und von Ort zu Ort zu ziehen, um Nahrung und Wasser zu finden. In unseren Straßen hat selbst der geringste Bettler zumindest ein Dach über dem Kopf und etwas zu essen. Und ihr seid ungebildet, weder du noch deine Kinder«, er richtete seinen Blick auf Achmed, der sofort wegschaute, »können
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