Die Rose des Propheten 2 - Das Buch Quar
hin – zweifellos betete er zu Quar. Nur der Emir verfolgte eher belustigt das Geschehen.
Khardan schnappte nach Luft. Das Pferd wuchs und wuchs! Während die Zauberin sprach und immer wieder die gleichen Worte rezitierte, gewann das Pferd an Höhe und Breite. Jetzt war es schon beinahe doppelt so groß, im nächsten Augenblick erreichte es Khardans Taille, wurde mannshoch und schließlich so groß wie das Streitroß des Kalifen. Die Stimme der Zauberin verstummte. Langsam erhob sie sich. Das Ebenholzpferd wandte ihr den Kopf zu und schaute sie an. Das war kein Ebenholzpferd mehr!
Das Tier bestand aus Fleisch und Blut, so wirklich und lebendig wie jedes Roß, das frei durch die Wüste galoppierte. Khardan starrte es an, unfähig auch nur einen Laut über die Lippen zu bringen. Nie hatte er solche Magie erlebt, nie daran geglaubt, daß so etwas möglich Wäre.
»Quar sei gepriesen!« hauchte der Imam ehrfürchtig.
»Ein Trick!« stieß Khardan zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Der Emir zuckte die Schultern. »Wenn du meinst, dann ist es eben ein ›Trick‹. Ein ›Trick‹, den Yamina, meine anderen Frauen, aber auch die Frauen der Würdenträger und der Adligen dieser Stadt dir genauso zeigen könnten.« Der Emir erhob sich und stieg vom Rosenholzthron herab, um dem Pferd freundlich auf den Hals zu klopfen. Wie Khardan leicht feststellen konnte, handelte es sich um ein prächtiges Tier – ungeduldig und von einem feurigen Geist beseelt, der durchaus zu dem Rubinrot seiner Nüstern paßte. Das Tier rollte die Augen, um seine ungewohnte Umgebung zu erfassen, die Hufe tänzelten nervös auf dem gefliesten Boden.
»Dieses edle Tier ist, wie ich schon sagte, ein Geschenk unseres Gottes«, bemerkte der Emir und streichelte die samtig schwarze Nase. »Der Zauber wirkt auf jeden Gegenstand, der einem Pferd ähnlich sieht, mag er aus Holz geschnitzt oder aus Ton geformt sein. Erst heute morgen hat einer meiner Söhne, ein Knabe von sechs Jahren, ein solches Pferd geformt.«
»Willst du mich zum Narren halten, o König?« brauste Khardan auf. »Soll ich tatsächlich glauben, daß Frauen zu solcher Magie fähig sind?«
Aber noch während er sprach, wanderten Khardans Augen zu Yamina. Unverwandt starrte das eine Auge der Zauberin ihn an, ohne auch nur einmal zu zittern oder zu blinzeln.
»Mir ist es gleichgültig, was du glaubst, Kalif«, bemerkte der Emir gelassen. »Es bleibt dabei, daß ich keine Verwendung für deine Pferde habe. Das bringt zwar dich und dein Volk in eine verzweifelte Lage, doch Quar ist gnädig.« Mit erhobener Hand gebot der Emir Khardan, ihn nicht zu unterbrechen. »In unserer Stadt ist reichlich Platz, um dich und deinen ganzen Stamm zu beherbergen. Bringe deine Leute nach Kich, Arbeit haben wir genug. Deine Männer können in den Reihen meiner Armee dienen. Ihr Ruf als Kämpfer ist wohlbekannt. Ich würde mich geehrt fühlen, euch zu meinen Reitern zählen zu können.« Kannadis Stimme hatte sich leicht verändert, denn er meinte es tatsächlich ernst. »Eure Frauen können Teppiche knüpfen und Töpferwaren für den Verkauf im Basar herstellen. Eure Kinder werden im Tempel zur Schule gehen und Lesen und Schreiben lernen…«
»Und wohl auch die Gebote von Quar, o König«, folgerte Khardan kühl.
»Natürlich. In diesen Mauern kann niemand leben, der nicht ein ergebener Diener des einen, wahren Gottes ist.«
»Oh, vielen Dank für diese Großzügigkeit, o König«, entgegnete Khardan und verneigte sich. »Aber mein Volk und ich würden lieber verhungern. Mir scheint, wir haben hier unsere Zeit vergeudet. Laß uns gehen…«
»Da habt ihr’s!« rief der Imam schnell und trat einen Schritt vor. Er hob seinen dünnen Arm und deutete mit zitterndem Finger auf Khardan. »Glaubst du mir jetzt, o König?«
»So!« donnerte der Emir, worauf das Pferd laut aufwieherte, da es Kannadis donnernden Schrei für den Ruf zur Schlacht gehalten hatte. »Es ist wahr! Ihr seid Spione, die unsere Stadt auskundschaften, damit du und deine mordenden Teufel aus der Wüste uns angreifen können. Dein Versuch ist jedoch fehlgeschlagen, Kalif. Unser Gott ist allwissend, er sieht alles und hat uns vor deinen hinterlistigen Machenschaften gewarnt!«
»Spione?« Khardan starrte den Mann voller Erstaunen an.
»Wachen!« überschrie der Emir sogar das Wiehern des Pferds, das bei dem Tumult auf der Hinterhand gestiegen war. »Wachen! Ergreift sie!«
6
Der Emir sah sich gezwungen, das scheuende,
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