Die Rose des Propheten 3 - Das Buch der Unsterblichen
kein Feind Quars?«
»Der Mächtige und starke Quar hat doch sicherlich keine Feinde?« Ibn Jad hob eine schwarze Augenbraue.
Diese Frage ließ dem Hauptmann beinahe die Fassung verlieren. Wenn er dem Thema des Gotts dieses Manns weiter nachging, würde das den Anschein erwecken, als hätte der mächtige und starke Quar tatsächlich etwas zu befürchten. Und doch empfand der Soldat Unbehagen dabei, die Sache nicht weiter zu verfolgen.
»Wenn eure Priester die Auswirkungen des Todes besiegt haben, Effendi«, sagte der Hauptmann in der Hoffnung, weitere Einzelheiten zu erfahren, »weshalb haben sie dann nie versucht, den Tod selbst auszumerzen?«
»Daran arbeiten sie noch, Sidi«, erwiderte ibn Jad kühl.
Der Hauptmann gab verblüfft auf und sah zu der Leiche des Manns zurück, der in vollem Ornat auf der Bahre lag. »Wer ist er, und weshalb tragt ihr ihn mit euch?«
»Es ist der Kalif meines Volks«, antwortete ibn Jad, »und ich habe die traurige Aufgabe, seinen Leichnam zu seinem trauernden Vater zurückzubringen. Der junge Mann wurde in der Wüste getötet, als er an der Seite des Emirs von Kich – einem wahrhaft großen Mann – gegen die Nomaden der Pagrah kämpfte. Kennst du den Emir, Hauptmann?«
»Ja«, erwiderte der Hauptmann knapp. »Sage mir, Effendi, weshalb kämpft ein Prinz von Simdari so weit von seiner Heimat in fremden Landen?«
»Du traust mir nicht, Hauptmann, nicht wahr?« sagte Auda ibn Jad plötzlich mit gerunzelter Stirn und einem Blick in den kalten Augen, der den Soldaten, einen Veteran vieler Schlachten, erschauern ließ. Der Hauptmann wollte gerade antworten, als ibn Jad den Kopf schüttelte und die Hände an die Schläfen legte, als würden sie ihn schmerzen. »Bitte verzeih mir«, murmelte er. »Ich weiß, daß du deine Pflicht tun mußt. Ich brause zu leicht auf. Meine Reise war nicht angenehm, und doch sehne ich mich nicht nach ihrem Ende.« Seufzend verschränkte er die Arme vor der Brust. »Ich fürchte mich davor, meinem König diese Nachricht zu überbringen. Der junge Mann ist sein einziger Sohn, noch dazu ein Kind seiner späten Jahre. Und nun«, ibn Jad verneigte sich anmutig, »will ich deine höchst zulässige Frage beantworten, Hauptmann. Der Kalif weilte auf Besuch am Hofe des Kaisers in Khandar. Als er vom Ruhm des Emirs vernahm, ritt der Kalif nach Kich, um zu Füßen eines Meisters die Kriegskunst zu studieren. Nur durch heimtückischen Verrat konnten die wilden Nomaden ihn töten.«
Ibn Jads Geschichte schien plausibel. Der Hauptmann hatte Gerüchte von Angriffen des Emirs auf die Nomaden der Pagrah-Wüste vernommen. Es war allgemein bekannt, daß der Kaiser von Tara-kan – ein Mann, den es nach Wissen dürstete wie andere nach starken Getränken – Besucher aus fremden Landen willkommen hieß, die fremden Göttern huldigten. Und doch klang alles so hübsch und sauber, so allzu hübsch und sauber…
»Was befördert Ihr in diesen beiden anderen Bahren, Effendi?«
»Oh, das ist ein Anblick, der dich zutiefst rühren wird, Sidi. Folge mir.«
Während er zu den beiden Bahren hinüberschritt, die hinter der ersten auf dem Boden standen, sah der Hauptmann aus dem Augenwinkel, daß seine Soldaten ihre Durchsuchung der Karawanengüter fast abgeschlossen hatten. Bald würde er eine Entscheidung fällen müssen. Sie in die Stadt einlassen oder ihnen den Zutritt verweigern. Jeder Instinkt, jede Faser seines Leibs warnte ihn, und doch brauchte er dafür einen Grund.
Er blickte in die Bahre, erwartete, einen weiteren Soldaten zu sehen – vielleicht einen Leibwächter, der sein Leben für seinen Herrn geopfert hatte –, doch plötzlich rang er nach Luft. »Frauen!« sagte er und ließ den Blick von einer Bahre zur anderen schweifen.
»Frauen!« murmelte Auda ibn Jad tadelnd. »Sage lieber ›Göttinnen‹, das kommt der Wahrheit näher. Denn eine solche Schönheit ist nur selten auf dieser erbärmlichen Ebene sterblichen Seins zu schauen. Sieh sie an, Hauptmann. Jetzt darfst du es tun, wärest du ihrer Schönheit jedoch vor dem Tod meines Kalifen ansichtig geworden, hätte es dich das Leben gekostet.«
Ein weißer Schleier bedeckte das Gesicht der Frauen. Voller Respekt und Ehrerbietung entfernte ibn Jad den Schleier vom Antlitz der ersten. Die Frau besaß klassische Gesichtszüge, doch war etwas an dem fahlen, reglosen Antlitz, das von wildem Stolz und strenger Entschlossenheit kündete. Ihr langes schwarzes Haar glitzerte bläulich im Licht der Sonne. Als er sich
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