Die Rose des Propheten 3 - Das Buch der Unsterblichen
des Soldaten, daß er ibn Jads Worte sehr deutlich vernommen hatte. Der Hauptmann öffnete den Mund. Der Leutnant sah ihn flehend an.
Zornig marschierte der Hauptmann zur Leiche des Kalifen hinüber. »Möge Quar mich vor dem unbekannten Bösen schützen«, sagte er laut, dann streckte er die Hand aus, um die Matratze zu durchsuchen, auf der der Leichnam ruhte. Darunter könnten jede Menge Gegenstände verborgen sein, ebenso unter dem seidenen Laken, das den unteren Teil der Leiche bedeckte, ja sogar im Inneren der Rüstung selbst…
Ein gespenstisches Murmeln wie das leise Pfeifen eines sich anbahnenden Sturms stellte dem Hauptmann die Haare auf. Unwillkürlich riß er den Kopf zurück. Schnell hob er den Blick und stellte fest, daß das Geräusch von ibn Jads Gurrten stammte. Die Männer wichen zurück, ihre Pferde, die von der Furcht ihrer Herrn angesteckt waren, rollten die Augen und tänzelten unruhig. Die Sklaven scharten sich in einer Gruppe zusammen und begannen erbärmlich zu jammern. Auda ibn Jad drehte sich mit einem Stirnrunzeln zu ihnen um und schrie sie in seiner eigenen Sprache an. An seiner Handbewegung erkannte der Hauptmann, daß er ihnen gerade ein saftiges Auspeitschen verhieß. Das Geheul verstummte, aber Sklaven, Gume, Pferde und sogar die Kamele beobachteten den Hauptmann mit einem erwartungsvollen Prickeln des Entsetzens, das sehr beunruhigend war.
Ibn Jads Miene war angespannt und verhärtet. Obwohl er sich große Mühe gab, seine eigenen Gefühle zu verbergen, war auch er offensichtlich im Herzen ein abergläubischer Bauer. Abrupt zog der Hauptmann die Hand zurück.
»Ich werde die Ruhe des ehrwürdigen Toten nicht stören. Und du, Auda ibn Jad, und deine Männer habt die Erlaubnis, Idrith zu betreten. Aber diese«, er zeigte auf die Rattanbahren, »müssen draußen vor den Stadtmauern verbleiben. Wenn sie tatsächlich verflucht sind, wäre es nicht schicklich, sie auf das heilige Gebiet des Quar zu verbringen.« Wenigstens, dachte der Hauptmann, habe ich dieses Dilemma gelöst! Vielleicht werden Auda ibn Jad und seine Männer jetzt beleidigt sein und fortgehen.
Doch der Mann in Schwarz lächelte und verneigte sich geschmeidig, seine Finger schlüpften wieder ans Herz, Lippen und Stirn neigten sich zum höflichen Salaam.
»Ich werde meinen Männern befehlen, die Toten zu bewachen«, erbot sich der Hauptmann, obwohl ihn ein Blick auf seine Soldaten davon überzeugte, daß ein derartiger Befehl unnötig sein würde. Die Nachricht von dem Fluch würde sich durch die Stadt ausbreiten wie die Pest. Nicht einmal die frömmsten Anhänger des Benario, des Gotts der Diebe, würden den Leichnamen auch nur einen edelsteinbesetzten Ohrring stehlen.
»Mein verbindlichster Dank, Hauptmann«, sagte Auda und verneigte sich erneut, die Hand auf sein Herz gedrückt.
Der Hauptmann erwiderte die Verbeugung unbeholfen. »Und vielleicht möchtest du mir die große Ehre antun, mich heute abend in den Palast des Sultans zu begleiten. Staatsgeschäfte hindern Seine Erhabenheit daran, viel von der Welt zu sehen, und die Geschichte, die du mir erzählt hast, würde ihn sehr unterhalten.«
Auda ibn Jad wandte ein, daß er einer solchen Aufmerksamkeit doch nicht würdig sei. Der Hauptmann versicherte ihm geduldig das Gegenteil. Auda beharrte wiederum darauf und setzte sein Zieren so lange fort, wie es schicklich war, bis er schließlich mit höflichster Eleganz einwilligte. Seufzend wandte der Hauptmann sich ab. Da er keinen rechtschaffenen Grund gehabt hatte, diesen Mann und seine Gume aus Idrith fernzuhalten, hatte er eben getan, was er konnte. Wenigstens würden die Leichname mit ihrem unheiligen Fluch die Stadt nicht beflecken. Er würde persönlich die Überwachung Auda ibn Jads übernehmen und seinen Männern befehlen, ein Auge auf die Gume zu behalten. Schließlich waren es ja auch nicht mehr als dreißig. Allein die Frauen des Sultans zählten doppelt so viele. Unter den Tausenden von Menschen, die dicht gedrängt in Idrith lebten, würden sie nur wie ein einzelner Wassertropfen sein, der in einen tiefen Brunnen fiel.
Der Hauptmann redete sich ein, daß er die Lage unter Kontrolle hatte, während er auf seinem Pferd aufsaß. Doch sein Unbehagen war hartnäckig. Den Fuß im Steigbügel, hielt er inne, die Hände auf den Sattel gelegt, und musterte ein letztes Mal den Mann in Schwarz.
Unter den gesenkten Augenlidern warf Auda ibn Jad Kiber, dem Anführer der Gume, einen Seitenblick zu. Viel wurde mit
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