Die Rose des Propheten 3 - Das Buch der Unsterblichen
Tempels in der Stadt Kich, seine Hand ruhte auf dem goldenen Widderkopf seines Altars. Es war offensichtlich, daß der Gott wartete, und er tat es mit einem offensichtlichen Mangel an Geduld. Gelegentlich hämmerte er mit den Fingern nervös auf den Widderkopf. Mehr als einmal hob seine Hand einen Klöppel, um einen kleinen Gong zu schlagen, der auf dem Altar stand, doch jedesmal zog er sie nach einem Augenblick des Zögerns wieder zurück.
Auf einer Trage auf dem kalten Marmorfußboden, Quar gegenüber, murrte und stöhnte der Imam des Gotts, wälzte sich in fiebrigem Schlaf. Seine selbstzugefügte Wunde war nicht sauber verheilt, das Fleisch um sie herum war geschwollen und heiß, wenn man es berührte. Yamina hatte versucht den Priester zu behandeln, wie es alle Hofärzte getan hatten, doch Feisal hatte jegliche Hilfe verweigert.
»Das ist eine Sache… zwischen meinem Gott… und mir!« hatte er gekeucht und Yaminas Hand mit schmerzhafter Heftigkeit gepackt, die andere Hand gegen den Verband gepreßt, der feucht von Blut und Eiter war. »Ich habe… etwas getan… das ihm mißfällt. Das… ist meine Strafe!«
Yamina hatte Feisals Hand an ihre Lippen gepreßt, hatte gefleht, hatte ihn mit jedem Kosenamen bedacht, der ihr eingefallen war. Sanft, aber entschieden hatte er ihr befohlen zu gehen. Sie hatte ihm traurig gehorcht, hatte insgeheim vorgehabt, sich wieder einzuschleichen, sobald er schlief, um ihn ohne sein Wissen mit ihrer Magie zu heilen.
Für Feisal war Yamina so durchsichtig wie das Wasser im Hauz des Palasts. Da er spürte, wie seine Kraft schwand, und erkannte, daß er bald das Bewußtsein verlieren würde, befahl der Imam seinem Diener, niemanden den Eintritt zu erlauben, wobei er den Mann die allerfürchterlichsten Eide leisten ließ, um sich seines Gehorsams zu versichern. Der Diener sollte die Innentore des Tempels schließen und versiegeln. Nicht einmal dem Emir selbst war der Zutritt gestattet. Das letzte Geräusch, das Feisal hörte, bevor er in fiebrige, wahnwitzige Träume versank, war das hohle Dröhnen der sich schließenden riesigen Tore, das krachende Herabfallen des eisernen Riegels.
Wie er immer wieder ins Delirium glitt, spürte der Imam vage, daß der Gott seinen Tempel betrat. Zuerst traute er seinen Sinnen nicht, fürchtete, es sei ein Fiebertraum. Gegen den Schmerz und das Feuer ankämpfend, die seinen Leib verzehrten, klammerte er sich am Bewußtsein fest und erkannte nun, daß Quar wahrhaftig bei ihm war. Seine Seele strahlte vor Freude, als der Priester versuchte sich zu erheben, um Quar zu huldigen. Doch sein Fleisch war schwächer als sein Geist, und er sank stöhnend zurück.
»Sagt mir… was habe ich getan… um mir Euren Zorn zuzuziehen, o Heiligster«, murmelte Feisal matt und griff mit einer zitternden Hand nach seinem Gott.
Quar antwortete nicht, sah nicht einmal in die Richtung seines leidenden Priesters. Er schritt neben dem Altar auf und ab und spähte mit wachsender Gereiztheit in die Dunkelheit hinaus. Feisal vermochte seine Frage nicht zu wiederholen. Er konnte seinen Gott nur mit bewundernden Augen anstarren. Selbst der Schmerz und die Qual, die er durchlitt, schienen ihm gesegnet – eine Flamme, die Körper und Seele von jedweden Sünden reinigte, die er begangen hatte. Wenn er in dem Feuer sterben sollte, so sollte es so sein. Dann würde er mit einem von Ansteckung gereinigten Geist vor seinen Gott treten.
Plötzlich ertönte der Gong, dreimal. Quar drehte sich begierig danach um. Der Gong schwieg, dann ertönte er erneut dreimal. Eine Rauchwolke nahm menschliche Gestalt um den Gong an, verdichtete sich zu einem zehn Fuß großen Ifrit.
Der Ifrit trug rote Pluderhosen aus Seide, dazu eine rote Schärpe um seinen gewaltigen Bauch; er vollzog den Salaam und preßte dabei die riesigen Hände gegen seine Stirn. Feisal sah stumm zu, ohne zu staunen.
»Nun, wo ist er?« wollte Quar wissen.
»Ich bitte um Verzeihung, Effendi«, sagte der Ifrit mit einer Stimme, die an fernes Donnergrollen erinnerte, »aber ich habe ihn nicht gefunden.«
»Was?« Der Zorn des Gotts wühlte die Dunkelheit auf. »Er kann nicht weit gekommen sein. Er ist ein Fremder in diesem Land. Bah! Du hast ihn verloren, Kaug!«
»Jawohl, Effendi, ich habe ihn verloren«, erwiderte Kaug ungerührt. »Wenn ich meine Geschichte erzählen darf?«
Der Gott kehrte dem Ifrit den Rücken zu und machte eine gereizte Geste.
»Wie Ihr schon vermutetet, mein Heiliger Meister, war der sogenannte
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