Die Rose des Propheten 3 - Das Buch der Unsterblichen
fünfundzwanzig, groß und schlank, mit einer Haut, so weiß wie die Marmorspringbrunnen. Ein Turban bedeckte sein Haupt, der seidene Stoff glitzerte von Edelsteinen und goldenen Anhängern. Seine Kleidung war ebenso üppig. Seidene Pluderhosen wogten um seine Beine, als er sich zwischen den Pfauen bewegte. Eine goldene Schärpe umschloß seine schmale Hüfte, goldene Schuhe mit aufgerollten Zehenspitzen zierten seine Füße. Ein wallendes Ärmelhemd wurde von einer Weste aus goldenem Tuch bedeckt.
Die Augenlider des Manns waren grün bemalt und mit Khol eingerahmt. Edelsteine funkelten auf den Fingern, die den Vögeln die Körner zuwarfen, von seinen Ohrläppchen baumelte Gold.
Achmed hielt die Luft an. Noch nie hatte er jemanden geschaut, der so prunkvoll aussah. »Ist das der Kaiser?«
»Ha!« Hasid begann vor Lachen zu prusten, worauf der Mann draußen vor dem Fenster den Kopf wandte und sie mißbilligend anblickte. Er wischte sich die Körner von den Händen und schritt davon, vorbei an dem Springbrunnen, ging dabei in einstudierter Anmut und Eleganz, während die Pfauen ihm gemächlich folgten.
»Der Kaiser!« Hasid rang nach Luft. »Was glaubst du wohl, wo wir wären, wenn der Kaiser tatsächlich käme, Junge? Höchstwahrscheinlich säßen wir dann draußen auf der Straße. Dieser Ort wäre nicht groß genug, um alle seine Frauen unterzubringen, ganz zu schweigen von seinen Wesiren und Priestern und Würdenträgern und Schreibern und Sklaven und Kelchträgern und Tellerträgern und Fußwäschern und Arschleckern, die ihn von dem Augenblick an umringen, da er morgens aufwacht, bis zu dem Zeitpunkt, da er in der Nacht eines seiner hundert Schlafzimmer betritt. Der Kaiser!« Der alte Soldat lachte und schüttelte den Kopf.
»Wer ist es dann?« fragte Achmed gereizt.
»Die Antwort auf deine Frage.« Hasid blickte ihn abschätzend an. »Der älteste Sohn von Abul Qasim Qannadi.«
Achmed wandte sich erstaunt wieder zum Fenster, um hinauszublicken, und sah den Mann, wie er gerade eine Orchidee pflückte und gelangweilt die Blütenblätter abrupfte, um sie achtlos den Vögeln zuzuwerfen. »Er wurde am Hof des Kaisers aufgezogen und lebt im Palast zu Khandar. Yamina, seine Mutter, ist eine Schwester des Kaisers, und sie hat dafür gesorgt, daß ihr Sohn alle Vorzüge genießen könnte, im kaiserlichen Haushalt aufzuwachsen. Qannadi hat den Jungen nur selten gesehen.« Hasid zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich seine eigene Schuld. Er war immer irgendwo unterwegs, eroberte im Namen des Kaisers immer mehr Städte. Vor einem Monat hat er nach seinem Sohn geschickt, um ihn in der Kriegskunst zu unterweisen. Er wollte ihn in den Süden mitnehmen. Sein Sohn sagte, daß er geehrt sei, seinem Vater aufzuwarten, doch würde er für die Reise eine überdachte Sänfte brauchen, da er einfach nicht reiten könne und es nicht wagte, lange an der Sonne zu bleiben – es würde seinen Teint zerstören. Und ob es möglich sei, einige seiner Freunde mitzubringen, da er die Gesellschaft von gewöhnlichen Soldaten nicht ertrage. Er wollte auch seinen eigenen Leibarzt haben, da es ihm sehr wahrscheinlich vorkam, daß er beim Anblick von Blut in Ohnmacht fallen würde.
Der junge Mann«, fügte Hasid trocken hinzu, »kehrt morgen nach Khandar zurück.«
Achmed blieb die Luft weg. Er kam sich vor wie der Mann, der seinem Dschinn aufgetragen hatte, ihm eine silberne Kugel zu bringen, um schließlich den glitzernden Mond in den Händen zu halten. Wie der Mann zu dem Dschinn schon sagte: »Es ist schön und von überragendem Wert, aber ich weiß nicht genau, was ich damit anfangen kann.« Der Garten löste sich vor den Augen des Jungen auf. Wie er aus dem Fenster sah, schaute er keine Zierbäume und hängenden Orchideen und blutrote Rosen mehr. Vielmehr sah er die Wüste – die weiten, kahlen Dünen unter ihrem weiten, kahlen Himmel; die hochstehenden Grashalme, die sich im ewigen Wind bogen; die kümmerlichen Palmen, die sich um eine Pfütze aus brackigem Wasser ans Leben klammerten; die welke, stinkende Pflanze, deren Namen für den jungen Mann inzwischen eine schreckliche, bittere Ironie bedeutete – die Rose des Propheten.
»Du hattest recht«, sagte Hasid sanft. »Das hat nichts mit der Ausbildung von Pferden zu tun. Qannadi hat nach dir verlangt. Wirst du zu ihm kommen?«
Achmed wandte sich vom Fenster ab.
»Ja«, antwortete er. »Ich werde kommen.«
9
Der Gott Quar stand in der weihrauchversüßten Dunkelheit seines
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