Die Rose des Propheten 4 - Das Buch der Akhran
Ich will mein ewiges Leben nicht in einer versiegelten Eisenkiste zubringen müssen, in eiserne Ketten gelegt! Lebewohl, Prinzessin!«
Der Dschinn sprang mit einer solchen Behendigkeit in den Ring zurück, daß Zohra von dem Rauchstrudel kurz geblendet war. Wütend ergriff sie den Silberreif und versuchte ihn vom Finger zu reißen. Doch er steckte fest. Sie zog und drehte daran, aber der Ring wollte nicht abgehen, und als ihr Finger schließlich geschwollen war und zu schmerzen begann, gab sie es auf.
Sie zitterte vor Kälte. Der Geruch der Speisen ließ ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen.
»Ich muß meine Kräfte schonen«, sagte sie bei sich. »Da es schon so aussieht, als ob ich diesen Kampf allein durchstehen muß, darf ich mich nicht von Erkältung oder Hunger schwächen lassen.«
Ihr Verstand suchte nach einem Ausweg aus dieser Lage. Zohra zog ihr nasses Kleid aus und ersetzte es durch das schwarze Gewand auf dem Stuhl. Dann setzte sie sich zur Mahlzeit nieder. Als sie das Tablett abdeckte, erblickte sie das Schimmern von Stahl.
»Ah!« rief Zohra und nahm das Messer schnell auf, um es in einer Tasche ihres Gewands zu verstecken.
Die Speisen waren köstlich. Auf verschiedenen Tellern befanden sich ihre Lieblingsgerichte. Saftiges Obst, Honigkuchen und kandierte Mandeln. Eine Karaffe war bis zum Rand mit klarem, kaltem Wasser gefüllt. Zohras Kräfte kehrten zurück und mit ihnen die Hoffnung. Beruhigend drückte das Messer gegen ihr Fleisch. Sie könnte es benutzen, um das Türschloß zu öffnen, danach würde sie aus der Burg fliehen. Da sie die gleichen Kleider trug wie alle anderen, würde man sie nur für eine der anderen halten. Wenn sie erst einmal draußen war – da dachte Zohra plötzlich an die Nesnas.
Halbe Männer, die auf einem Bein hüpften! Die Zauberin mußte sie für ein Kind halten, wenn sie meinte, daß Zohra solchen Geschichten Glauben schenken würde. Die Nomadenfrau hatte einen kurzen Anflug von Bedauern, weil sie Khardan zurücklassen mußte; sie erinnerte sich an ihn, wie er auf der Trage lag, zitternd und qualvoll stöhnend. Sie schaute noch einmal die blauroten Schürfungen an ihrem Arm und Leib, und sie erinnerte sich schuldbewußt daran, daß er bereit gewesen war, sein Leben zu ihrem Schutz aufs Spiel zu setzen.
Nun, sagte sie sich, ihm ging es ohnehin nur um die Ehre. Er macht sich nichts aus mir. Er haßt mich für das, was Mathew und ich ihm angetan haben – weil wir ihn gedemütigt haben, indem wir ihn vom Schlachtfeld schafften. Das hätte ich nicht tun sollen. Meine Vision war dumm. Zweifellos war es irgendeine Täuschung Mathews um… um…
Wie heiß es doch plötzlich war! Zohra öffnete die winzigen Knöpfe am Kragen des Gewands. Es wurde unerträglich warm. Und sie wurde auch schläfrig. Sie hätte nicht so viel essen sollen. Mit schweren Augenlidern kämpfte sie sich auf.
»Ich muß wach bleiben!« sagte sie laut und spritzte sich etwas kühles Wasser ins Gesicht. Sie begann im Raum umherzugehen, doch da entglitt ihr der Boden unter den Füßen. Sie taumelte auf einen Stuhl und ergriff ihn, um sich abzustützen. Plötzlich wurde das von dem Kohlebecken abstrahlende Licht von einem farbigen Regenbogen umringt. Die Wände des Raums begannen ein- und auszuatmen. Ihre Zunge schien ausgetrocknet zu sein, und sie hatte einen merkwürdigen Geschmack im Mund.
Zohra torkelte zu dem Tisch zurück, hielt sich dabei an Stühlen fest, und packte die Wasserkaraffe. Sie hob sie an die Lippen…
»Ich verfüge über Mittel, auch die störrischsten Frauen meinem Willen zu unterwerfen.«
Mit einem Krachen fiel die Karaffe zu Boden.
Zwei schwarzgekleidete Frauen trugen Zohra aus dem Vorzimmer. Zohras Augen waren offen, sie musterte sie verträumt, auf den Lippen ein nichtssagendes Lächeln.
»Was sollen wir mit ihr tun?«
Die Schwarze Zauberin sah auf die Nomadenfrau herab, dann hob sie den Blick zu dem roten Samtvorhang, der den Türbogen verhüllte. Die beiden Frauen, die Zohra jetzt an Armen und Beinen hielten, wechselten einen schnellen Blick; die eine sah auf ihren eigenen schwellenden Bauch herab, und ein leises Seufzen entfuhr ihren Lippen.
»Nein«, sagte die Schwarze Zauberin, nachdem sie einen Augenblick angestrengt nachgedacht hatte. »Ich bin mir über sie noch nicht im klaren. Bringt sie in das Gemach neben meinem.«
Die Frauen nickten stumm und trugen ihre Last durch den Gang.
Das sonore Läuten einer eisernen Glocke; es erklang im Turm hoch
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