Die Rose des Propheten 5 - Das Buch der Nomaden
euch das Leben gerettet, unter großer Gefahr für mein eigenes. Und das kam so…« In diesem Augenblick schlug Kaug zu.
6
Ein Windstoß fuhr aus dem höhlengleichen Schlund des Ifrit und jagte durch den Lustgarten. Hohe Palmen krümmten sich, abgerissene Blätter und Blüten prasselten durch die Luft wie Regen, Wasser schwappte über die gekachelten Ränder der Zierteiche. Unsanft geweckt, ging Usti in einem Blumenbeet in Deckung. Hoch auf dem Balkon schrien die Dschinnias auf und griffen nach ihren flatternden Schleiern, wollten sehen, was hier vorging, während die Eunuchen sie in die Sicherheit des Palasts trieben. Unten zückten die Dschinnen grimmig ihre Klingen und stemmten sich gegen den Wind.
Von seinem Gott gespeist, war die Macht des Ifrits ebenso wie seine Größe gewaltig angeschwollen. Viele Male größer als das höchste Minarett, das den Palast zierte, viele Male breiter als die Mauern, die ihn umgaben, wälzte sich Kaug über die unsterbliche Ebene. Der Boden, der nur im Geist jener existierte, die auf ihm standen, erbebte von den Schritten des riesigen Ifrit. Sein Atem war ein Sturmstoß, seine Hände hätten den gewaltigen Raja auflesen und mühelos aus dem Himmel werfen können. Hätten sich alle Dschinnen im Garten aufeinandergestellt, sie hätten damit Kaugs Größe nicht erreicht.
Doch nun standen sie vor ihm. Sie würden nicht klein beigeben, wie es andere Unsterbliche getan haben sollten. Akhran selbst kämpfte noch immer. Und das würden auch seine Unsterblichen tun, bis ihre Macht verblaßt, die Kraft ihres Geists erschöpft und ihre Leiber selbst geschlagen waren.
Kaug blieb unmittelbar vor den Mauern des Gartens stehen und blickte in höhnischem Triumph auf die Dschinnen.
Sond trat einen Schritt vor und hob trotzig den Säbel. Nedjmas Parfüm hing dem Dschinn noch in der Nase; die Erinnerung an den vernichtenden Blick, den sie ihm zugeworfen hatte, brannte in seinem Geist. »Verschwinde, Kaug, solange du noch Gelegenheit hast, dein wertloses Fell zu retten. Wenn du jetzt fortgehst, werden wir dir nichts tun.«
Kaugs häßliches Gesicht verzog sich zu einem grotesken Lächeln. Er trat einen Schritt vor und drückte in aller Gelassenheit einen Teil der Mauer mit einem einzigen Tritt ein.
»Sond!« sagte Kaug freundlich und zog den anderen Fuß nach, um weitere Teile zu zerstören. »Du bist also hier? Ich bin erfreut, überrascht, aber erfreut. Ich hätte gedacht, daß du zum Tel zurückkehren würdest, denn ich habe gehört, daß dein ehemaliger Gebieter – der arme alte Majiid – aufgegeben hat und um die Todin buhlt. Das ist nun wirklich eine Frau, die Frieden in seinen Harem bringen wird!«
Sond erbleichte. Er warf Fedj einen schnellen Blick zu, doch der wandte das Gesicht schnell ab.
»Und der kleine Pukah auch«, fuhr der Ifrit fort und seine rumpelnde Stimme schlug Risse in die Grundsteine des Palasts. »Du bist also hier, während dein Gebieter wie ein Klumpen heißes Blei auf dem Sonnenamboß schmurgelt. Auch er buhlt um die Todin, und ich vermute, sie wird ihm besser gefallen als seine Frau!« Kaug gluckste und wischte mit einer Handbewegung einen Turm von den Schloßmauern. Die Dschinnen huschten davon, um den Trümmern auszuweichen, die um sie herum auf den Garten niederprasselten, blieben aber in den Ruinen stehen, grimmig und entschlossen.
»Es muß dir leid tun, daß du meinen Dienst quittiert hast, Kleiner Pukah!« Der Ifrit fuhr damit fort sie zu ärgern, doch Pukah hörte nur mit einem Ohr zu, denn der größte Teil seiner Aufmerksamkeit galt einem in seinem Gehirn stattfindenden Dialog zwischen ihm selbst und ihm selbst.
»Diesen Kampf können wir nicht gewinnen, weißt du, Pukah«, verkündete er.
»Du, Pukah, bist klug wie immer«, bestätigte sein Alter ego mit einem Seufzen.
»Und ich bin schlauer als dieser Haufen Fischfleisch«, meinte Pukah.
»Natürlich!« erwiderte Pukah bestimmt, denn er wußte, was von ihm erwartet wurde.
»Das ist mein Plan.« Pukah stellte ihn nicht ohne Stolz vor. »Was hältst du davon?« fragte er, als sein Alter ego ziemlich lange in Schweigen verharrte.
»Er hat… ein paar Fehler«, meinte Pukah zaghaft.
»Natürlich habe ich noch nicht die Zeit gehabt, alle Einzelheiten auszuarbeiten.« Pukah war wütend auf sich selbst, da er doch der Auffassung war, daß es an der Zeit sei zu schweigen, aber nicht anders konnte, als ein weiteres Problem zur Sprache zu bringen.
»Was ist mit Asrial?«
»Ah!« Pukah seufzte.
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