Die Rose des Propheten 6 - Das Buch Promenthas
gegen ihn zu kämpfen.
Zohra hatte ihre eigenen Probleme. Die plötzliche Fähigkeit, sich selbst als Frau zu sehen und stolz darauf zu sein, war ihr in diesem frühen Stadium noch unbehaglich und unvertraut. Deshalb hielt sie sich während des Ritts abseits von den anderen Frauen, obwohl diese keinen Hehl aus der Tatsache machten, daß sie sie nun als eine der ihren akzeptierten. Einige wenige machten zwar Bemerkungen, daß sich ihre Prinzessin überhaupt nicht verändert hätte, doch Badia fuhr ihnen sofort über den Mund; sie glaubte, als einzige begriffen zu haben, welcher Kampf in der Brust ihrer Schwiegertochter tobte. Der Kampf um die Selbsterkenntnis ist wie die Auseinandersetzung mit einem Gegner, der niemals vor einem steht, sondern immer nur von hinten angreift. Nur wer das größte Glück hat, kann ihn überwinden.
Was Mathew anging, so sah er jedesmal, wenn er die Augen schloß, wieder die Menschen, die um ihn herum überall starben. Er fragte sich, ob er die Ereignisse lieber umgekehrt hätte, um von der Hand seiner Feinde zu sterben. Doch er wußte, daß die Erinnerung an jene welkenden Gesichter, die er unscharf durch den Nebel geschaut hatte, ihn bis ins nächste Leben verfolgen würde, und daß er dort dafür Rechenschaft würde ablegen müssen.
Nach und nach war jedes seiner hehren Ideale, an die Mathew geglaubt hatte, zerstört worden. Mathew hatte versucht, seine alten Glaubenssätze wieder zum Leben zu erwecken, doch es war unmöglich, auch nur ihre Gespenster zu zitieren. Er hatte sich von dem Jungen, der einst das waldige, wasserreiche Land Aranthia durchwandert hatte, so weit entfernt, daß er zu einem gänzlich anderen Wesen geworden war. Was er aber während jener langen Nächte, da er nichts zu tun hatte, als nachzudenken und die Sterne anzustarren, als wahrhaft erstaunlich und verwirrend empfand, war die Tatsache, daß er zwar wehmütig und traurig auf diesen Jungen zurückblickte, aber nicht mehr mit Bedauern. Vielleicht war er kein besserer, mit Sicherheit aber ein klügerer Mensch.
Die einzige Frage, die ihm noch blieb, war die, was seine Zukunft noch für ihn bereithalten mochte. Mathew begann zu begreifen, daß der Weg, dem er folgte, sich seinem Ende näherte, und in der Tiefe seines Herzens wußte er, daß er schon bald eine Entscheidung treffen mußte. Der Emir hatte von Schiffen gesprochen, die zum Kontinent Tirish Aranth segeln würden. Er könnte nach Aranthia zurückkehren, ins Land seiner Geburt, oder in Tara-kan bleiben, dem Land seiner Wiedergeburt. Im Augenblick hatte er nicht die leiseste Vorstellung, wie er sich entscheiden würde.
Die anderen Mitglieder der drei Stämme brauchten sich mit solchen Fragen nicht zu befassen. Die drei Scheichs ritten Seite an Seite vor ihrem Volk dahin und waren die allerbesten Freunde, die engsten Vettern, die liebevollsten Brüder. Anstatt mit Beschimpfungen miteinander zu wetteifern, versuchten sie sich in Schmeichelei zu übertreffen.
»Nur durch die Tapferkeit der Hrana konnte unser Volk aus dem Gefängnis fliehen«, sagte Majiid großmütig und schlug Jaafar eine freundschaftliche Hand auf die Schulter.
»Aber ohne die Stärke der Akar wäre die Tapferkeit der Hrana nichts gewesen«, meinte Jaafar und beugte sich in seinem Sattel vor, um Majiids Gewand zu zwicken, ein Zeichen der Ehrerbietung.
»Ich darf wohl mit Sicherheit sagen«, fügte Zeid von seinem schnellen Kamel herab hinzu, »daß ohne die Tapferkeit der Hrana und die Stärke der Akar die Aran nun Schakalfutter wären.«
»Ah«, riefen beide anderen Scheichs mit einer Stimme, »aber ohne die Weisheit der Aran wären wir es, an denen sich die Schakale laben würden.«
Und so weiter und so fort, bis die Dschinnen schon mit den Augen rollten und Khardan die ganze Sache so anzuwidern begann, daß er lieber am Ende des Trupps ritt.
So kam es, daß die Scheichs und so ziemlich alle Mitglieder der drei Stämme den Gipfel der riesigen Dünen erreichten, die über den Tel blickten, und plötzlich stehenblieben und mit lauten Ausrufen des Staunens in die Tiefe blickten und nach ihrem Propheten riefen.
In der aberwitzigen Befürchtung, daß Qannadi ihn im Gewaltmarsch überholt hatte, um nun am Tel seiner Rückkehr zu harren, trieb Khardan sein Pferd im halsbrecherischen Tempo auf die Düne.
Vor ihm breiteten sich Zelte jeder Form und Größe in solcher Anzahl über die Wüste, daß es schon eine riesige Stadt war. Zudem schien während ihrer Abwesenheit Regen gefallen zu
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