Die Rose des Propheten 6 - Das Buch Promenthas
hierhergekommen.«
Irgendwo draußen rief eine Stimme: »Der Prophet? Hast du den Propheten gesehen?«
Khardan verhüllte sein Gesicht, als die Stimme, die unmittelbar vor Mathews Zelt angelangt war, um Erlaubnis bat, eintreten zu dürfen. »Verzeih, Marabu, daß ich deine Ruhe störe. Hast du den Propheten gesehen?«
»Er ist in diese Richtung gegangen«, sagte Mathew und deutete direkt auf Khardan.
Der Nomade dankte ihm wortreich und schloß die Zeltklappe. Sie hörten, wie er auf die Oase zulief.
»Danke, Mat-hew.« Khardan begann sich zu erheben. »Du warst im Begriff dich auszuruhen. Es ist mitten in der Nacht. Ich störe dich.«
»Nein, bitte!« Mathew ergriff Khardans Arm. »Ich konnte nicht schlafen, nicht bei all diesem Lärm. Bitte bleib.«
Es bedurfte keiner allzugroßen Überzeugungskraft, um den Kalifen dazu zu bewegen, wieder zu seinen Kissen zurückzukehren. Seine eindringlich auf Mathew gehefteten dunklen Augen glitzerten im Lampenlicht.
»Würdest du etwas für mich tun… sofern du nicht zu müde bist?« fragte Khardan plötzlich.
»Gewiß, Prophet«, erwiderte Mathew.
Khardan hielt stirnrunzelnd inne. Das, worum er bitten wollte, fiel ihm offensichtlich schwer, und er grübelte noch immer darüber nach, ob er fortfahren sollte oder nicht.
»Du kannst deine Magie benutzen, um…« Der Kalif räusperte sich. »… in die Zukunft zu schauen?«
»Ja, Prophet.«
»Nenn mich bitte Khardan! Ich bin dieses Titels müde.«
Mathew verneigte sich.
»Du kannst es also?« fragte Khardan ungeduldig.
»Ja, natürlich. Mit Vergnügen, Pro… Khardan.«
Nach seiner Ankunft hatte Mathew die kostbaren magischen Gegenstände, die er während seiner Reisen erworben hatte, sorgfältig ausgepackt und an einer sicheren Stelle verborgen. Dazu gehörte eine Schale aus poliertem Holz, die er im Lager der Hrana in den Gebirgsläufern entdeckt hatte. Obwohl Mathew ihm angeboten hatte, ihm dafür ein Schmuckstück zu geben, war der Besitzer überglücklich gewesen, es ihm als Gastgeschenk zu überreichen.
Mathew holte die Schale aus ihrem Versteck neben seinem Kopfkissen, wobei er sie liebevoll berührte und sich an dem glatten Holz erfreute, das in der Wüste eine Seltenheit darstellte. Er legte sie zwischen sich und Khardan auf den Zeltboden und tat so, als würde er das erste, unwillkürliche Zurückzucken des Kalifen nicht bemerken.
Mathew griff nach der Girba, die draußen vor dem Zelt hing, um das Trinkwasser kühlzuhalten, und füllte daraus die Schale. Draußen hatte eine Stimme damit begonnen, ein Loblied auf den Propheten zu singen und alle seine kühnen Taten zu rezitieren. Mathew beugte den Kopf und schien in das Wasser zu blicken. Doch unter den Wimpern sah er zu Khardan hinüber, der gleichzeitig mit einer gewissen Freude, aber auch einer beinahe hilflosen Gereiztheit zuhörte.
Mathew begann zu sprechen. »Die Visionen, die ich in der Schale schaue, zeigen nicht unbedingt das, was geschehen wird.« Während er darauf wartete, daß das Wasser sich glättete, sprach der Zauberer die in seinen Texten vorgeschriebene Warnung aus. »Sie werden lediglich zeigen, was geschehen wird, wolltest du dem Pfad folgen, den du im Begriff bist zu gehen. Es könnte klug sein, sich abzuwenden und einen anderen Pfad zu wählen. Es könnte ebenso klug sein, auf diesem Weg zu bleiben. Sul gibt keine Antworten. In vielen Fällen wirft Sul nur noch mehr Fragen auf. Es liegt bei dir, über die Vision nachzudenken und zu deiner Entscheidung zu kommen.«
Beinahe hypnotisiert nickte Khardan. Seine Miene verriet Ehrfurcht und Angst. Mathew konnte sein eigenes Atmen hören, das viel zu schnelle Pochen seines Herzens. Er riß seinen Blick von Khardan, richtete ihn auf das Wasser und begann mit dem Singsang. Er wiederholte die Formel dreimal, und auf der glatten Oberfläche der Flüssigkeit erschienen die ersten Bilder.
»Ich schaue zwei Falken, die beinahe gleich aussehen. Jeder Falke fliegt an der Spitze einer riesigen Schar kriegerischer Vögel. Die Scharen treffen aufeinander, es gibt einen wilden Kampf, und viele Vögel stürzen in die Tiefe und sterben.« Mathew schwieg einen Augenblick und sah zu. »Nach dem Ende der Schlacht ist einer der Falken tot. Der andere hebt sich immer höher in den Himmel, bis er mit Gold gekrönt wird und eine goldene Kette um den Hals trägt, und viele Vögel kommen und gehen auf seinen Befehl.«
Er hob den Kopf, lehnte sich auf seine Fersen zurück und blickte Khardan an. »Das ist die
Weitere Kostenlose Bücher