Die Rose des Propheten 6 - Das Buch Promenthas
konnte es ihnen nicht abschlagen, und so kamen sie einer nach dem anderen mit ihren Sorgen, ihren Wünschen, ihren Bitten, ihren Vorschlägen, ihren Geschenken, ihren Opfergaben, ihren Töchtern, ihren guten Wünschen und ihren Gebeten. In der Zwischenzeit schmiedeten die Scheichs und die Dschinnen in einem anderen Zelt freudig Pläne, in den Krieg zu ziehen.
13
Die Gespräche und die Feierlichkeiten dauerten bis tief in die Nacht. Das Geschrei und Gelächter veranlaßte Mathew, sich in die Ruhe und Abgeschiedenheit seines Zelts zurückzuziehen. Wie er durch das dichtbevölkerte Lager streifte, taub von dem ganzen Lärm, ertappte er sich dabei, daß er die Geräusche der nächtlichen Wüste vermißte – den beharrlichen, gespenstischen Gesang des Winds; das kehlige Knurren von Nachttieren, die ihrem Geschäft nachgingen; das rastlose Gemurmel zwischen den Pferden, die die Witterung eines Löwen wahrnahmen.
Wie viele Nächte, so fragte er sich, hatte er im Zelt gelegen und diesen Geräuschen voller Entsetzen und Einsamkeit gelauscht und sie verabscheut? Jetzt aber sehnte er sich wieder nach ihnen.
Auf dem Weg zu seinem Zelt kam er an Zohras vorbei und beschloß, einzutreten und mit ihr zu sprechen. Sie war während der Reise so still und zerstreut gewesen. Seit jener schrecklichen Triumphnacht von Kich hatten sie kaum mehr als ein paar Worte miteinander gewechselt. Als er in das Zelt spähte, sah er Zohra von Frauen umringt. Sie redeten und lachten und bestaunten die eingetroffenen Geschenke: Duftstoffe, Schmuck, Ballen von Seide und Wolle, kandierte Rosenblätter, Sklaven und Messinglampen. Usti, dessen fettes Gesicht soviel Wärme abstrahlte, bis sie schon daran dachten, die Lampen zu löschen, umschwebte die Prophetin, begutachtete die Gaben und trieb seine Herrin beinahe in den Wahnsinn, indem er ihr unentwegt ins Ohr flüsterte, wieviel eine jede davon wert war.
Mathew blieb unbemerkt stehen und sah zu. Die Prinzessin Zohra, die Mathew gekannt hatte, wäre aus diesem parfümierten Gefängnis ausgebrochen, hätte ihr Pferd gepackt und wäre zwischen die Wanderdünen davongaloppiert. Als seine Gedanken sie berührten, hob Zohra die dunklen Augen und blickte ihn an. Sehnsucht war in ihren Augen zu lesen. Doch Mathew sah auch Resignation, erzwungene Geduld und Selbstbeherrschung. Man mußte ihm sein Erstaunen ansehen können, denn sie lächelte ein wehmütiges, schiefes Lächeln und zuckte leise mit den Schultern, als wollte sie sagen: »Was soll ich sonst tun? Ich bin schließlich die Prophetin des Akhran.«
Mathew erwiderte das Lächeln, verneigte sich vor der Prophetin und ging. Und ebenso, wie er den Wind und den Gesang und das Grollen des Löwen vermißte, vermißte er auch die herrische, unberechenbare Prinzessin.
Erschöpft von dem langen Ritt, legte Mathew sich auf seine Kissen. Er fragte sich, ob es sich lohnen würde, seinen Chirak abzulegen und auf etwas Schlaf zu hoffen, als die Zeltklappe plötzlich aufgeschlagen wurde. Eine dunkle Gestalt, das Gesicht mit dem Haik verdeckt, kam hereingehuscht. Sie wich dem Licht der Lampe aus und verschmolz schnell mit den Schatten. An den Schwarzen Paladin erinnert, hob Mathew beunruhigt den Blick. Doch die Gestalt hob eine beschwichtigende Hand, schob das Gesichtstuch ein Stück beiseite, damit er ihre Züge sehen konnte.
»Es ist nur Khardan«, ertönte eine müde Stimme.
»Nur der Prophet«, erwiderte Mathew mit einem sanften, ironischen Lächeln.
Khardan stöhnte und warf sich zwischen die Kissen. Sein stattliches Antlitz war gefurcht unter den Augen waren dunkle Ringe zu erkennen, und schon bald wich Mathews Freude echter Besorgnis.
»Geht es dir gut? Hast du irgendwelche Schmerzen? Vielleicht deine Verwundung?«
Khardan wischte alles mit einer Geste beiseite. »Die Wunde ist verheilt. Ich habe sie verbinden lassen, sofort nachdem ich ins Lager kam. Wie lang ist das schon her? Eine Woche? Es scheint mir wie ein Jahr, wie tausend Jahre!« Seufzend lehnte er sich zurück und schloß die Augen. »In meinem Zelt tummeln sich Geschichtenerzähler und Teetrinker, Geschenkträger und Ratgeber. Soldaten und Tanzmädchen – und alle starren mich so ausgehungert an, als wäre ich irgendeine Art von Eintopf, in den jeder seine Finger schieben kann, um sich auch ein Stück zu nehmen! Ich hätte Sond ja befohlen sie hinauszuwerfen, aber die Dschinnen sind schon wieder verschwunden. Also habe ich den Vorwand vorgebracht, einem Ruf der Natur zu folgen, und bin
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