Die Rose von Angelâme (German Edition)
Grund.
Angefangen hatte alles damit, dass er sich auf dem Weg von Paris zurück in den Süden ein bescheidenes Quartier in einem der Gasthöfe irgendwo unterwegs genommen hatte. Auf Vermittlung des Wirts zeigte er schließlich einem Stammgast die Mappe mit seinen Bildern. Zwei Tage später kam dieser Gast zu ihm und stellte ihm den Auftrag in Aussicht, bei edlen Herrschaften etwas zu malen.
Julien wollte scherzend wissen, ob es sich um eine alte Gräfin handele, die genug Geld böte, dass er sie um hundert Jahre jünger darstelle, als sie in Wirklichkeit sei. Der, der ihn angesprochen hatte, war jedoch keinesfalls zu Scherzen aufgelegt und erklärte ihm, dass es sich hierbei um eine Herzenssache handele, die geheim bleiben müsse.
Julien hatte daraufhin angenommen, er solle das Porträt einer jungen Dame malen, die anhand einer günstig ausgefallenen Miniatur verheiratet werden solle, und willigte ein, nachdem der Auftrag auch eine ordentliche Summe versprach.
Allerdings stellte sich schnell heraus, dass er die Kopie eines alten Bildes anfertigen sollte, und war überrascht, als er das Original sah: Es handelte sich um einen alten Meister. Das Bild war jedoch vollkommen verschmutzt und an einigen Stellen sogar beschädigt und nicht auf Anhieb als ein wertvolles Gemälde erkennbar.
Er bot seinem Auftraggeber an, es zunächst einmal vorsichtig zu reinigen. Dies würde ihm erleichtern, die Brillanz der ursprünglichen Farben hervorzuheben und später auf seine Kopie zu übertragen, und gab ihm überdies die Möglichkeit, die Zusammensetzung der verwendeten Grundstoffe für das Original zu analysieren.
Sein Auftraggeber war beeindruckt, als er mit der Restaurierung fertig war. Das Bild strahlte in unglaublicher Schönheit, und Julien hatte es darüber hinaus geschafft, die schadhaften Stellen unsichtbar zu reparieren.
Als er die bestellte Kopie fertig hatte, entließ man ihn trotz allen Lobes über seine erstklassige Arbeit förmlich über Nacht. Man würde dafür Sorge tragen, dass er noch weitere Arbeiten angeboten bekäme.
Es war ihm klar, dass jemand ihn für eine ziemlich schmutzige Arbeit benutzt hatte und die Kopie sicherlich nicht als solche ausgeben und verkaufen würde.
Enttäuscht machte er sich wieder auf den Weg nach Süden. Da sprach ihn kurz hinter Tours der Unbekannte überraschend erneut an und bat ihn, noch etwas zu malen, was ihm angesichts seines inzwischen wieder leeren Geldbeutels ganz gelegen kam. Allerdings weigerte er sich vehement, erneut die Kopie eines alten Meisters anzufertigen. Zu sehr steckte ihm die Angst noch in den Knochen, die sein vorheriger Auftrag schließlich in ihm ausgelöst hatte.
Der Herr, der ihn auf das Schloss derer zu Angelâme schickte, gab vor, nichts von einer Fälschung zu wissen. Es sei alles in Ordnung und er brauche sich keine Gedanken zu machen. Sein Auftraggeber würde das Bild nie und nimmer als Fälschung, sondern ehrlich als Kopie neueren Datums veräußern. Wenn überhaupt.
Allerdings sagte er ihm, er erwarte, dass Julien niemandem von dieser neuerlichen Vermittlung erzählte. Es solle bei der ganzen Geschichte nämlich so aussehen, als sei er zufällig zu diesem Schloss gekommen und frage wie üblich um Arbeit.
Dass die Ansicht der Burg, die er für Demoiselle Marie kopieren sollte, über ein anderes Bild gemalt worden war, hatte er auf den ersten Blick erkannt. Das war jedoch keinesfalls ungewöhnlich. Manchmal wurde ein Bild einfach übermalt, weil es nicht gelungen und die Leinwand für ein neues zu teuer war. Manchmal hatte der Künstler etwas ausprobiert und dann wieder übermalt, weil es nicht seinen Vorstellungen entsprach, oder ganz einfach, weil sein Auftraggeber ein Bild nicht abgeholt hatte oder nicht den vereinbarten Preis dafür bezahlen wollte. Er dachte flüchtig darüber nach, ob die Demoiselle ihn nach Abschluss seiner Arbeit mit der Freilegung des darunter liegenden Bildes betrauen oder die Kopie als Original teuer verkaufen würde.
Was ihn beim zweiten Hinsehen jedoch überrascht hatte, war die gut verborgene, kaum sichtbare Signatur am rechten unteren Bildrand. Sie stammte unzweifelhaft - von seinem Vater. Julien hatte geglaubt, seinen Augen nicht trauen zu können, als er die vertrauten Initialen entdeckte.
Ein merkwürdiger Umstand, dass der Fremde ihn ausgerechnet hierher geschickt hatte, wo er die Kopie eines Bildes anfertigen sollte, das sein Vater auf ein bereits vorhandenes gemalt hatte.
Zufall?
Julien glaubte nicht
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