Die Rose von Angelâme (German Edition)
unmissverständlich zum Ausdruck brachte.
Was Marie wiederum verwunderte: Honoré hatte sich niemals erkennbar in ihre Angelegenheiten gemischt, bevor ihr Vater gestorben war. Sie versuchte erfolglos dahinter zu kommen, was ihn dazu veranlasste, auf diese fast verbitterte Weise auf etwas zu reagieren, was ihn absolut nichts anging.
Als Julien ihm jetzt seine Anweisungen gab, erstarrte der alte Mann förmlich vor Entrüstung. Er ging erst, als Marie ihn mit einer schwachen Handbewegung dazu aufforderte, den Wünschen des Malers zu entsprechen.
„Ein unglaublicher Aufwand für ein einfaches Glas Gewürzwein!“, knurrte Honoré, bevor er die Tür hinter sich zuzog.
Julien war hinter Marie getreten und legte behutsam seine Hand auf ihre Schultern, was sie wider Erwarten ohne sichtbare Reaktion geschehen ließ.
„Demoiselle“, begann er vorsichtig. „Vielleicht hat Euer Vater diese interessanten Dokumente irgendwo gekauft, um sie als Besonderheit in seine Bibliothek aufzunehmen. Ihr habt keine Veranlassung, Euch von deren Inhalt beunruhigen zu lassen.“
Marie stand auf und trat zum Fenster, aus dem sie ein paar Minuten lang schweigend in den winterlichen Garten schaute. Er konnte ja nicht wissen, was diese Berührung in ihr ausgelöst hatte.
„Aber versteht Ihr denn nicht?“, fragte sie, ohne sich umzusehen. Julien hörte das leichte Vibrieren in ihrer Stimme, was ihn vermuten ließ, dass sie kurz davor war, zu weinen. Allerdings entging ihm der Grund dafür vollkommen. „Es ist gleichgültig, um wen es sich handelt. Es ist einfach so furchtbar“, hörte er sie leise sagen.
„Es tut mir leid.“
„Diese Dokumente betreffen ein Mitglied meiner Ahnenfamilie“, fuhr sie fort, noch immer von ihm abgewandt. „Mein Vater hat sie sicherlich hier aufbewahrt, weil sie aus irgendeinem Grund wichtig sind. Wenn sie nur eine Besonderheit für seine Bibliothek gewesen wären, Julien, dann hätte ich sie erstens gekannt, und zweitens wären sie von ihm katalogisiert worden. Aber -“ Endlich drehte sie sich nach ihm um und sah ihn an. „- es gibt nirgendwo Aufzeichnungen darüber, dass sie überhaupt jemals in dieses Haus gekommen sind.“
„Vielleicht, weil er sie erst kurz vor seinem Tode erworben und keine Möglichkeit gehabt hatte, Euch davon zu erzählen?“
Marie lächelte schwach.
„Unmöglich. Alles, was jemals über die Schwelle dieses Raums gekommen ist, wurde für gewöhnlich sofort notiert. Wenn nicht von meinem Vater, dann mit Sicherheit von mir.“
„Wirklich alles?“
„Wirklich alles“, sagte sie bestimmt. „Er hätte niemals etwas grundlos unter diese oder irgendeine andere Auflage geschoben, das war nicht seine Art. Hätte er mit diesen Protokollen einfach nur ein paar interessante Stücke für seine Bibliothek erstanden, wie Ihr vermutet, wären sie mit Sicherheit sehr teuer gewesen. Warum hätte er so einen wertvollen Schatz dermaßen nachlässig behandeln sollen? Ich habe es überprüft: Es gibt in der Zeit vor seinem Tod keine Rechnungen über einen solchen Kauf.“
In diesem Augenblick erschien Honoré mit dem warmen Kräuterwein, den er in einen Krug gefüllt hatte, und stellte das dampfende Getränk und einen Becher auf ein Seitentischchen.
„Nur ein Becher?“, fragte Marie.
„Verzeihung, Demoiselle, ich hatte Anweisung von dem jungen Herrn -“ Honoré bedachte Julien mit einem abgrundtief verächtlichen Blick “- für Euch zu servieren. Ich habe mir außerdem erlaubt, dem Getränk einen Löffel Honig beizumischen.“ Er blieb einen Augenblick lang stehen und sah Marie abwartend an.
„Ich trinke ohnehin keinen Alkohol“, kam Julien der Demoiselle zuvor und fing einen verärgerten Blick des alten Dieners ein. „Die Idee mit dem Honig ist allerdings ganz ausgezeichnet.“
Marie lächelte dem alten Mann freundlich zu. „Vielen Dank, Honoré.“
„Gern geschehen, Demoiselle.“
Honoré verließ mit verschlossenem Gesichtsausdruck das Zimmer und zog hörbar die Tür hinter sich zu.
Julien füllte den Kräuterwein in den Becher und reichte ihn ihr. „Vorsicht, heiß.“
Marie schaute neugierig in die rote Flüssigkeit.
„Was ist da drin?“, fragte sie und zog das Näschen kraus.
„Außer Wein lauter Kräuter, die beruhigend auf Eure Nerven wirken werden“, erklärte Julien. „Keine Angst, Demoiselle, Euer ergebener Diener würde Euch den Wein niemals serviert haben, wenn er auch nur einem meiner empfohlenen Kräutlein misstraut hätte.“
Marie nippte
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