Die Rose von Angelâme (German Edition)
Maltechnik ist nicht das einzige Seltsame daran“, sagte sie.
„Was?“
„Das Bild hat nicht immer so ausgesehen.“
Simon warf ihr einen überraschten Blick zu.
„Was meinen Sie damit?“
„Ein Freund von mir hat es sich vor knapp einer Woche genauer angesehen. Er hat Kunstgeschichte studiert und sich für das Gemälde interessiert. Ihm ist ebenfalls aufgefallen, dass das Bild nicht in die Zeit seiner mutmaßlichen Entstehung passt. Er hat darüber hinaus festgestellt, dass in den feinen Rissen auf der Oberfläche Rückstände von anderen Farben zu erkennen sind.“
Simon trat näher an das Bild heran, um zu sehen, ob er diese Rückstände ebenfalls entdecken konnte. Warum hatte Prof. Dr. Krapp das nicht erwähnt?
„Das heißt“, fuhr Christina fort, „dass dieses Bild übermalt und später wieder unprofessionell gereinigt worden ist.“
Sie beobachtete Simon, wie er mit den Fingerkuppen vorsichtig über die Bildoberfläche strich.
„Das mit dem Übermalen ist nichts Besonderes“, fuhr sie fort. „Das haben früher viele Künstler gemacht, weil ihre Auftraggeber das Bild nicht gut fanden, nicht bezahlten oder nicht abholten. Um Geld für eine neue Unterlage zu sparen oder weil sie keine Lust hatten, ein neues Stück Holz mühsam zurechtzuschleifen, übermalten sie ihre nutzlos gewordenen Werke einfach.“
„Von der Reinigung steht nichts in den Expertisen. Oder ich habe es überlesen. Seltsam.“ Dabei fiel ihm ein, dass der Professor ja das Original garnicht gesehen hatte, sondern aufgrund vorliegender Fotos nur so etwas wie Mutmaßungen anstellte.
Christina zuckte die Schultern.
„Die Künstler jener Zeit konnten nicht wissen, dass sie mit ihren Werken eines Tages unsterblich werden, auch wenn sich viele das vielleicht gewünscht haben. Hätten sie gewusst, dass nachfolgende Generationen mit ihren Bildern Millionengeschäfte machen, dürfte sie das eher erzürnt als erfreut haben, da die meisten von ihnen völlig verarmt ums Überleben kämpften. Sie sparten lieber mit ihren Materialien.“
„Zum Glück konnten sie das nicht wissen. Stellen Sie sich das mal vor: Viele der begnadeten, aber völlig verarmten Künstler wären auch noch in dem Bewusstsein gestorben, mit ihrem Werk einen Besitzer in ferner Zukunft zum Multimillionär gemacht zu haben! Das hätte vermutlich dem ausgeprägtesten Talent den Schwung genommen.“
Christina nickte zustimmend.
„Ihr Bekannter hat also festgestellt …“, kam er auf das zurück, was sie ihm gesagt und was sie zu diesem Gespräch geführt hatte.
„Ja, er hat das Bild aber nur oberflächlich begutachtet“, unterbrach sie ihn.
„Das hieße doch, jemand hat das übermalte Bild gesehen und erkannt, dass das Darunter wesentlich – ja, was weiß ich, wertvoller oder schöner ist. Jetzt wäre interessant zu wissen, wer das war und wann das gewesen ist.“
Er sah Christina fragend an.
„Also nicht Roger, das weiß ich. Er hätte das gesagt. Soweit ich mich erinnere, hat das Gemälde immer so ausgeschaut wie jetzt. Es scheint im Familienbesitz gewesen zu sein, seit er denken kann.“
„Verrückt. Da hängt dieses Bild über Generationen irgendwo herum, und Roger stellt eines Tages fest, dass es sehr wertvoll sein könnte.“
„Das passiert schon mal.“
„Ja, das passiert schon mal. Aber da handelt es sich auch um bekannte Künstler. Der hier“, er zeigte auf die Signatur rechts unten, „der ist niemand bekannt.“
„Sachen gibt’s …“
Simon überging ihren Spott und überlegte laut weiter.
„Roger also gibt das Gemälde einem Gutachter, der bestätigt seine Vermutung, und Roger schließt eine hohe Versicherung für sein Bild ab. Wobei wir weder wissen, was Roger zu seiner Vermutung geführt hat, noch, warum das Bild so wertvoll sein soll, noch, wer dieser erste Gutachter gewesen sein könnte. Ich konnte keine Unterlagen darüber finden.“ Simon schüttelte den Kopf.
„Diese Amerikaner!“, warf Christina ein.
„Ja, diese Amerikaner.“ Er ging auch dieses Mal nicht auf ihren Sarkasmus ein. „Interessant wäre herauszufinden, womit das Original übermalt worden ist. Mit welchem Motiv, meine ich.“
„Warum?“
„Nur so ein Gedanke.“
Er verließ das Schlafzimmer. Christina folgte ihm und schloss leise die Tür hinter sich.
„Warum wäre das interessant zu wissen?“, wiederholte sie ihre Frage.
„Weil ich den Schlüssel zu meiner wichtigsten Frage finden möchte: Warum wurde dieses Bild so hoch versichert?“ Er
Weitere Kostenlose Bücher