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Die Rose von Angelâme (German Edition)

Die Rose von Angelâme (German Edition)

Titel: Die Rose von Angelâme (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Mayer
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Geheimnis, das der Maler in seinem Bild verborgen hat. Das ist keine Seltenheit, wissen Sie. Es gibt sehr viele Gemälde, die gespickt sind mit Hinweisen und Zeichen, die nur Eingeweihten etwas sagen. Meistens sind es einfache Symbole, wie zum Beispiel bestimmte Blumen, ein Ring, ein Buch, eine Schriftrolle. Oder dezent angedeutete Wappen, kleine Ornamente, über die man etwas über die Identität oder Stellung der Modelle in der Gesellschaft erfährt.
    Jetzt aber zu Ihrem Bild: Zunächst einmal sei gesagt, dass es sich um eine für das frühe vierzehnte Jahrhundert ausgesprochen ungewöhnliche Darstellung handelt. Die Art des Künstlers, die Dame im Dreiviertelporträt und sitzend zu malen, wurde erst lange Zeit später bekannt. So gesehen könnte das Bild auf seine Weise vordergründig als – sagen wir gut angesetzte Fälschung hochinteressant sein, allerdings dürfte es eher individuellen als wirklichen Sammlerwert haben.
    Lassen Sie uns einmal ein bisschen über das Bild fantasieren: Da wäre die seltsame Signatur. Spika. Eine Abwandlung davon gibt es in Italien auch heute noch als Nachname: Speca. Es bedeutet Ohr. Das muss aber nicht unbedingt der Name des Künstlers sein. Mit der originalen Schreibweise Spika wird der Hauptstern aus dem Sternbild der Jungfrau bezeichnet. Das könnte sich auch auf die abgebildete Dame beziehen, der allerdings die sonst üblichen Symbole als Hinweis auf ihre mögliche Jungfräulichkeit völlig fehlen. Ihrer Kleidung zufolge war sie auf jeden Fall verheiratet, wahrscheinlich zum Zeitpunkt der Entstehung des Bildes sogar schwanger.
    Ich entdeckte beim näheren Hinsehen allerdings etwas, was mir zur Beantwortung Ihrer Frage ziemlich wichtig zu sein scheint und hochinteressant ist: Verteilt über die gesamte Bildfläche sind immer wieder feine Lichtpunkte gesetzt worden, die, richtig herum betrachtet, das Sternbild der Jungfrau ergeben.“
    An dieser Stelle ließ Christina das Bild wieder ganz auf dem Bildschirm erscheinen und zeigte auf ein paar winzige Lichter, die Simon nicht aufgefallen waren. Es waren helle Punkte in den Augen der Dame, leicht hervorgehobene Stellen auf den Spitzenbesätzen ihres Kleides, Spiegelungen im Hintergrund. Sein Interesse begann zu wachsen. Und damit auch sein Respekt vor Christina und dem unbekannten italienischen Sammler.
    Sie fuhr fort, den Bericht zu übersetzen – unbeirrt, weil sie den bewundernden Blick in Simons Augen hinter sich nicht sehen konnte.
    „Noch etwas fiel mir auf, worüber ich Ihnen meine Gedanken mitteilen möchte: Um das Handgelenk der schönen Unbekannten liegt ein Goldarmband mit einem herzförmigen Anhänger. Die Buchstaben RCA darauf sind meiner Meinung nach ein Hinweis auf die Identität der jungen Dame.“
    „Aha, interessant. Weitaus wichtiger als das Gefasel um Sternbilder und Herzchen ist für mich: Was genau fiel ihm denn an dem Bild auf, dem freundlichen Herrn im fernen Italien, das ihn annehmen lässt, es handele sich um eine Fälschung? Steht das auch irgendwo?“ Simon war inzwischen hellwach.
    Christina nickte, ohne ihn anzusehen. Wahrscheinlich wollte sie auch nicht seiner ständigen Gähnerei ausgesetzt sein.
    „Genau dieses Herzchen hat ihn stutzig gemacht.“ Sie zeigte auf den goldenen Anhänger am Handgelenk der Dame in Rot. „Das Herz war zur Zeit der Entstehung dieses Gemäldes bei uns nicht als Motiv für Schmuckstücke bekannt“, erklärte sie und warf ihm einen schnellen Blick zu. Als er nicht reagierte, fuhr sie fort: „Den europäischen Ärzten war es noch bis ins neunzehnte Jahrhundert hinein verboten, Leichen zu sezieren. Dieses Organ künstlerisch darzustellen wäre im frühen vierzehnten Jahrhundert völlig unmöglich gewesen!“
    „Also ist das Bild eine Fälschung.“
    „Nicht unbedingt.“ Sie warf einen Blick auf den Ausdruck, den sie noch immer in der Hand hielt.
    „Hier.“ Christina zeigte auf einen Abschnitt des Textes. „Dieses Herz war es, das dem Herrn in Italien als Schlüssel diente. Er schreibt dazu: Der goldene Anhänger am Handgelenk der Dame fiel mir erst beim zweiten Hinsehen auf. Da das Herz in jener Zeit nicht als Schmucksymbol bekannt war, muss den Künstler etwas Wichtiges dazu bewogen haben, es auf seinem Bild festzuhalten. Sollte das Gemälde tatsächlich Anfang des 14. Jahrhunderts entstanden sein, vermute ich, bei dem Kleinod handelte sich um ein weiter vererbtes Mitbringsel von einem Kreuzzug. Bei genauerem Hinsehen entdeckte ich zunächst diesen deutlich

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