Die Rose von Angelâme (German Edition)
fotografierte sie. Die Leute hätten mich fast gesteinigt deshalb. Sie nannten mich profitgeil, meinten, ich würde aus dem grausigen Vorfall Geld herausschlagen wollen. Aber ich arbeitete lange Zeit als Pressefotografin, ich bin darauf geschult, schnell zu reagieren. Szenen wiederholen sich nicht, ich muss sie festhalten, solange es sie gibt. Hinterher ist es zu spät. Aber ich habe das Foto an keine Zeitung weitergegeben.“
Simon klappte das Album zu, ohne es bis zur letzten Seite angeschaut zu haben.
„Gibt es Fotos von Roger und Sarah, als sie noch lebten?“
Sie schaute ihm forschend ins Gesicht.
„Natürlich.“
„Kann ich sie sehen? Vielleicht entdecken wir darauf irgendetwas, das uns weiter hilft“, meinte er schulterzuckend.
„Was wollen Sie denn auf diesen Familienfotos entdecken, das mit dem Mord an den beiden zu tun haben könnte?“ Sie wartete offenbar darauf, dass er Anstoß an dem Wort Mord nehmen könnte, aber er sagte nichts dazu.
„Ich weiß es nicht, es ist nur so ein seltsames Gefühl, das ich habe, seit ich an dem Fall arbeite“, versuchte er eine Erklärung.
„Ein seltsames Gefühl?“, fragte sie. „Ich dachte, es geht um das Geld Ihrer Versicherung!“
„Auch, ja.“
„Wenn Männer schon mal Gefühle haben.“
Christina ließ den Rest ihrer Gedanken unausgesprochen im Raum stehen, stand auf und holte zwei weitere Alben, die sie ihm wortlos reichte.
Er blätterte schweigend Seite für Seite um und betrachtete die Bilder aufmerksam.
Plötzlich entdeckte er es. Ein Foto mit dem Gemälde. Es hing über einem Sideboard an der Wand. Davor stand eine kleine Gruppe Leute, die fröhlich etwas feierten, denn sie lachten alle und hielten Gläser in der Hand.
„Erzählen Sie mir etwas über Roger.“
Christina, der sein Zögern nicht entgangen war, legte den Kopf auf die Rückenlehne ihres Sessels und schloss die Augen.
„Wenn Sie meinen? Roger war Amerikaner mit deutschen Wurzeln. Seine Firma schickte ihn nach Deutschland, damit er half, hier eine Tochterfirma aufzubauen. Als er Sarah kennen lernte, war für ihn klar, dass er hier bleiben würde. Er ließ sich von der neu gegründeten Tochtergesellschaft einstellen und blieb.“
Simon betrachtete die übrigen Fotos. Roger war auf einem zu sehen, wie er strahlend seine Frau umarmte. Während ein aufregend ausgeschnittenes, weich fallendes, seidenglänzendes Brautkleid ihren Körper umschmeichelte, hatte er sich einen nachtblauen, klassisch geschnittenen Smoking ausgesucht. Sein Hemd hatte dieselbe Farbe wie Sarahs Kleid. Man hätte ihn mit seinen rostroten Haaren für einen Iren halten können.
Sarahs dunkelblonde Haare waren zu einer kunstvollen Frisur aufgesteckt, in der kleine, weiße Blumen steckten. Der einzige Schmuck außer ihrem funkelnden Ehering war ein Goldkettchen mit einem kleinen Herzanhänger, welches in ihrem Dekolleté glitzerte.
Sarahs Gesicht war dezent geschminkt, ihre Augen strahlten ihren Mann glücklich an.
„Hat Daniel diese Fotos auch gesehen?“
„Ja. Er hat die Alben aber nur flüchtig durchgeblättert.“
„Ich würde mir jetzt ganz gerne mal das Gemälde ansehen, das so hoch bei uns versichert ist“, bat er und legte das Album auf den Tisch.
Christina erhob sich und öffnete die Tür gegenüber. Simon war ebenfalls aufgestanden. Das Schlafzimmer war in zarten Grau-und Rosatönen gehalten. Ein großes Bett mit vielen Kissen und kuscheligen Decken stand an der Wand, daneben ein Kinderbettchen mit einem rosa-weiß gemusterten Himmel darüber. Der Boden war mit einem dicken, hellen Teppichboden ausgelegt, vor den Fenstern hingen mit Weihnachtsmotiven bestickte, durchscheinende Baumwollvorhänge und an den Wänden waren Fotos von Kindern drauf zu sehen.
An der Wand zum Wohnzimmer entdeckte er das Gemälde mit der edlen Dame im roten Samtkleid.
„Darf ich?“, fragte Simon und deutete an, weiter in das Schlafzimmer hineingehen zu wollen.
„Ziehen Sie aber bitte Ihre Schuhe aus“, bat Christina. Er bückte sich, um die Schnürsenkel aufzumachen. Dabei versuchte er sich zu erinnern, ob Löcher in den Socken waren. Zum Glück nicht, stellte er erleichtert fest und ließ die Schuhe neben der Tür stehen.
„Dieses Bild gibt mir Rätsel auf“, murmelte er, sich an die Expertise von Prof. Dr. Krapp erinnernd. „Es soll aus dem frühen vierzehnten Jahrhundert stammen, dabei wurde die angewandte Maltechnik erst viel später bekannt.“
Christina räusperte sich neben ihm.
„Das mit der
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