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Die Rose von Angelâme (German Edition)

Die Rose von Angelâme (German Edition)

Titel: Die Rose von Angelâme (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Mayer
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können.
    Er wusste, dass dieselben Leute, die sie aus Tours geholt hatten, jeden Preis dafür bezahlen würden, wenn er Gnade vor Recht über dieses verdammte Weibsstück walten ließ, was tiefe Narben auf seiner Seele hinterlassen hatte.
    Er wollte den Preis nicht, den sie ihm anbieten würden.
    Er wollte sich von den Höllenqualen befreien, an der er ihretwegen seit Jahren litt.
    Er wollte sie quälen, wie sie ihn gequält hatte.
    Er wollte sie selber dem Henker übergeben und sie brennen sehen.
    Er wollte sie langsam sterben lassen.
    Er wollte sie vernichten, denn sie war eine Hexe.
    Sie war sein Preis.
    Sie wollte er haben.
     
    Der Pater begab sich wie jeden Mittwoch zu derselben Adresse, wohin vor wenigen Stunden de Nogaret gegangen war. Inzwischen war es dunkel geworden, und Guillaume Imbert konnte das Haus ungesehen betreten. Selbst wenn ihn jemand beobachtet hätte, wäre niemand auf die Idee gekommen, sich Gedanken um einen Priester zu machen, der das Haus einer stadtbekannten Hure aufsuchte. Dies war schließlich nichts Außergewöhnliches. Der Dominikaner, der soeben in jenem Haus eingelassen wurde, war in dieser Gegend ohnehin eine bekannte Gestalt.
    Kurz nach Mitternacht verließ Guillaume Imbert das Dirnenhaus wieder, bestieg die bereitstehende Sänfte, und ließ sich zufrieden in die Polster fallen, dass die Männer Schwierigkeiten hatten, das Gleichgewicht zu halten. Er hatte an diesem Tag wirklich alles bekommen, was er sich wünschen konnte. Er war körperlich wie seelisch befriedigt und satt. Die kleine Hure war eine Wildkatze und erfüllte ihm jeden Wunsch.
    Aber niemals konnte sie ihm das geben, was er sich in absehbarer Zeit von einer anderen Hure nehmen würde. Etwas, was ihn seit Jahren Tag und Nacht nicht zur Ruhe kommen ließ.
    Fast gleichzeitig mit ihm verließ auf der Rückseite des Hauses eine kleine, zarte Gestalt im Kapuzencape das Grundstück und lief, ohne sich umzusehen, zum Ufer der Seine, wo sie einen geheimen Durchschlupf in der Stadtmauer wusste. Sie raffte ihre Röcke und lief den Weg am Ufer entlang und ein Stück hinter der Stadtmauer über die Felder zur Abbaye de Saint-Germain-des-Prés.
    Giselle war ein Mädchen von knapp achtzehn Jahren, das seit ihrer Kindheit im Hause der alten, schwarzhaarigen Hure Giselaine lebte. Hier war sie geboren und vor deren Tod von ihrer Mutter und den anderen Huren aufgezogen worden.
    Inzwischen gehörte Giselle zu den begehrtesten Dirnen des Hauses, weil sie es verstand, mit ihrem unbeschwerten Lachen und ihrer fröhlichen Art die trüben Gedanken der Herren aufzuhellen, die zu ihr kamen.
    Giselle war ein außerordentlich kluges Mädchen, das genau wusste, wo seine Vorteile lagen.
    Als sie das Anwesen erreicht hatte, dem ihr Weg seit Mitternacht galt, hielt sie erst einmal inne, um zu verschnaufen, bevor sie um Einlass bat.
    Nachdem sie ihm Bericht erstattet hatte, lief sie in die Küche, wo Montgelas ein Essen für sie hatte zubereiten lassen.
    Grübelnd ließ sich der Großmeister am Tisch in seiner Kammer nieder. Als Giselle zurückkam, um sich zu verabschieden, winkte er sie zu sich heran.
    „Wann kommt der Dominikaner wieder zu dir?“, wollte er wissen.
    „Nächsten Mittwoch, wie jede Woche“, antwortete das Mädchen.
    „Und de Nogaret?“
    „Den besuche ich meistens in einer Kammer, die er im Hinterhaus des Cape d’Or gemietet hat, wenn er nicht gerade mittendrin das Bedürfnis verspürt wie heute – Ihr wisst schon.“ Sie machte eine obszöne Geste, die Montgelas geflissentlich übersah. „Es ist eine üble Kaschemme, Herr, in die sonst nur Fährleute und Fischer gehen, die auf der Seine arbeiten.“ Sie rümpfte das kleine Näschen beim Gedanken an den üblen Geruch, den diese Leute verbreiteten.
    „Nenn mich nicht Herr, Giselle, ich bitte dich.“
    „Verzeiht.“
    „Ein feiner Ort für die Liebe“, brummte der Alte vor sich hin.
    „Für die Liebe?“ Giselle lachte hell auf. „Für die Liebe?“
    Montgelas schüttelte den Kopf.
    „Gut, ich werde das andere Wort nicht gebrauchen“, flötete Giselle. „Das böse andere Wort.“
    „Eine Kaschemme für Fährleute und Fischer. Da sucht ihn niemand.“
    „Warum sollte ihn jemand suchen?“
    „Das stimmt nun auch wieder. Niemand vermisst ihn vermutlich.“ Montgelas lachte leise vor sich hin.
    „Der lüsterne Bock liebt diese Umgebung, Herr – Vater. Es bringt ihn in Stimmung, sagt er, es hinter den dünnen Wänden mit mir zu treiben, die uns von diesen

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