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Die Rose von Angelâme (German Edition)

Die Rose von Angelâme (German Edition)

Titel: Die Rose von Angelâme (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carmen Mayer
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nur ungern daran, dass er kaum einen Blick von der Szene hatte wenden und nur mühsam seinen plötzlich mit allen Fasern vibrierenden Körper unter Kontrolle hatte halten können. Giselle hatte ihn lachend aufgezogen und ihm erneut angeboten, ihn von seinen offensichtlichen Qualen zu befreien.
    Später, allein in seiner Kammer, hatte er nach solchen Gelegenheiten ab und zu den Kampf gegen seinen Körper verloren, dem alle Eide der Welt gleichgültig waren. Dem jungen Mann war in diesen Augenblicken völlig egal, ob die Kirche das einsame, befreiende Treiben unter seiner Decke gut hieß oder ihn dereinst dafür in die Hölle schicken sollte.
     
    Pierre tauchte aus seinen Gedanken auf. Giselaine hatte mit ihrem schrillen Lachen das halbe Haus zusammengerufen, und der junge Mann sah zum ersten Mal bewusst, dass dieses Weib alt und verbraucht aussah, wenn sie vergaß, sich unter Kontrolle zu halten. Er sah den faltigen Hals über der schlaffen Haut ihres wohl einstmals aufregenden Dekolletés, die mühsam zugeschminkten Furchen rings um ihren grellroten Mund und die verschmierten Versuche, Augen und Wangen mit ölig schimmernder Farbe zu unterstreichen. Das stieß ihn plötzlich genauso ab wie der ganze ekelhafte, nach vergossenem Wein, männlichem Schweiß und aufdringlichem Parfum riechende Ort der Sünde.
    Der Rubinring brannte in Pierres Hand, als er das Hurenhaus verließ.
    Zuerst lief er wahllos durch die Gassen, wobei er alle möglichen Leute anrempelte, die sich hinter ihm mit geballter Faust über diese Flegelei beschwerten, und landete schließlich in einem Wirtshause, wo er sich etwas zu essen bestellte, das er dann angeekelt von sich schob und nicht anrührte.
     
    Montgelas machte ein bedenkliches Gesicht, als Pierre ihm am nächsten Tag berichtete, was vorgefallen war, und befahl dem jungen Mann, schleunigst die Stadt zu verlassen und in einer der Komtureien erst einmal unterzutauchen.
    „Sie schrecken nicht einmal vor dem Mord an ihrer Hure zurück“, sagte der alte Mann schließlich grimmig zu seinen Beratern, die mit ihm um den großen Tisch saßen, wo sie zusammen ein Mahl eingenommen hatten.
    Er äußerte sich jedoch nicht zu seinen Vermutungen darüber, wer letztendlich hinter der ganzen Sache stecken mochte. Vielleicht weil er sich selber nicht sicher war, wem er diese Tat eher zutraute: dem halbamtlichen Großsiegelbewahrer oder dem neuen Großinquisitor. Beide hatten Grund genug, das Mädchen zum Schweigen zu bringen, sollten sie hinter ihre doppelten Spitzeldienste gekommen sein.
    Die Männer des Ordens besprachen in den folgenden Stunden die nächsten Schritte, wobei sie sich im Eifer die Köpfe heiß redeten. Es wurde ihnen unter anderem klar, dass sie keine andere Wahl hatten, als die Weiße Dame im Schachspiel der Intrigen um Macht und Geld zu opfern. Es fiel keinem von ihnen leicht, das unvermeidbare Todesurteil über eine Frau zu sprechen, die vollkommen unschuldig, und nur durch das Schicksal dazu auserwählt war, das Geheimnis ihres Blutes für eine Zeit zu bewahren, die besser dazu geeignet schien, jene Ziele zu erreichen, die nur die Auserwählten kannten.
    Montgelas hatte den Kopf in seine alten Hände gestützt und starrte schweigend vor sich hin.
    „So müssen wir denn die Comtesse diesem Wahnsinnigen ausliefern, damit ihr Geheimnis nicht verloren geht, sondern über Generationen hinweg erhalten bleibt bis zu dem Tag, an dem die Linie durchbrochen wird, wie es uns gesagt wurde, und sich das Schicksal des Blutes erfüllt.“
    Er sah einem nach dem anderen ins Gesicht.
    „Die einzigen Unterlagen, von denen ich ganz sicher bin, dass sie die Zeiten überdauern werden, weil der Klerus sie hütet wie seinen Augapfel, sind die Gerichtsprotokolle der Inquisition. Die heuchlerischen Schergen des Papstes und unseres Königs werden sich hüten, diese Protokolle verschwinden zu lassen, da sie für alle Zeit den Beweis dafür liefern sollen, dass jene einer gerechten Sache gedient und im Rahmen der Gesetze gehandelt haben.“
    „Da ist noch das Bild …“, wagte einer der Anwesenden vorzubringen.
    „Das Bild?“
    „Das Bild, das dieser italienische Künstler von ihr gemalt hat. Soweit ich mich erinnere, hat er die Zeichen darin versteckt, die für jene lesbar sind, die dafür auserwählt werden.“
    Montgelas schaute ihn lange an.
    „Ihr habt recht damit, ja. Nur ist ein Gemälde keine sichere Botschaft für künftige Zeiten. Es kann einem Brand zum Opfer fallen, kann zerstört

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