Die Rose von Angelâme (German Edition)
SaintMartin wird dir gleich mehr erzählen, und du wirst tun, was man dir aufträgt“, schloss Montgelas seine Anweisungen. „Vorab nur eines: Du wirst nach Tours reisen und dich dort an einen Maler namens Léon wenden, der in der Rue des Chevaliers sein bescheidenes Leben führt. Du zeigst ihm dies!“ Damit holte der alte Mann ein Kreuz an einer goldenen Kette unter seinem Umhang hervor. Pierre ließ es sich mit ehrfurchtsvollem Gesichtsausdruck um den Hals legen und unter seinem Halsausschnitt verschwinden. „Léon wird dir alles Weitere erklären, soweit du darüber Bescheid wissen musst.“ Der alte Mann fasste ihn fest ins Auge. „Versuche niemals, mehr herauszufinden, als man dir anvertraut hat! Dies ist Teil deines Eides, an den du zeit deines Lebens gebunden bist.“
Pierre erhob sich mit zitternden Knien und ließ sich auf einen Wink SaintMartins hin auf dem Stuhl nieder, der ihm am nächsten stand.
„Ich danke Euch für Euer Vertrauen“, sagte er mit rauer Stimme und räusperte sich. „Ihr könnt Euch auf mich verlassen.“
SaintMartin war hinter ihn getreten und hatte beide Hände schwer auf seine Schultern gelegt.
„Das tun wir, seitdem wir dich kennen.“
Rose wurde eines Tages ohne weitere Erklärungen aus dem Gefängnis entlassen. Ein junger Mann namens Pierre de Mézeray brachte sie über Umwege zum Anwesen des toscischen Weinhändlers, wo sie vor Monaten noch glücklich und unbeschwert gewesen war, und wo Albert sie endlich in die Arme schließen konnte.
Pierre verließ das Gut bereits nach ein paar Tagen wieder. Er hatte Order erhalten, sofort nach Frankreich zurückzukehren.
Rose wurde von den wissenden Händen ihrer Zofe Agnès gesund gepflegt, die inzwischen aufgrund diverser Einflüsse mit allen Rechten ausgestattet war, offiziell als Wehmutter Dienst zu tun. Albert stellte jedoch bekümmert fest, dass Rose sich von den seelischen Qualen, die sie erlitten hatte, nicht erholte.
Ihr Gastgeber berief einen jüdischen Arzt auf das Weingut, der sich ihrer annahm und geduldig lange Tage mit ihr sprach. Mit Zustimmung der Zofe verabreichte er ihr geheimnisvolle Medikamente, die Rose in einen leichten und sonnigen Zustand versetzten, und schließlich langsam ihre Heilung zuwege brachten.
Es waren nicht nur die hoffnungslosen Tage voller Demütigung und körperlichem Schmerz im Gefängnis zu Tours, die Rose so niedergeschlagen stimmten. Es war vor allem die Tatsache, dass sie dort ihr zweites Kind tot geboren hatte.
Sie konnte nicht ahnen, dass ihr Mann dem Herrgott dankbar für diese Fügung war. Jener gab bei Léon ein Altarbild in Auftrag, welches er einer der kleineren Kirchen in Siena schenken wollte. Auf diese Weise hoffte er einen Teil seiner Schuld zu begleichen, die er mit seinem gebrochenen Eid auf sich geladen hatte. Er hatte allen Grund, dankbar zu sein und Buße zu tun.
Noch jemand wusste darum, gerade noch einmal mit heiler Haut davon gekommen zu sein: Agnès. Agnès, der die Geheime Bruderschaft de Saint-Germain-des-Prés einen heiligen Eid abgenommen hatte, der jungen Comtesse und dem Anliegen des Ordens zeitlebens widerspruchslos zu dienen. Es wurde ihr nicht gestattet, Einwände gegen einige Punkte des Abkommens anzuführen oder diese zu hinterfragen, obwohl sie ihr gründlich gegen den Strich gingen.
Dieser Eid und die ungeheuerliche Konsequenz daraus war Agnès’ Preis dafür gewesen, unbehelligt von Kirche und Königreich ihren, wie es hieß, abartigen Neigungen nachgehen zu können. Es war auch ihr Preis dafür gewesen, endlich die amtliche Erlaubnis dafür in Händen zu halten, als Wehmutter arbeiten zu dürfen.
Paris im Jahre des Herrn 1307
Philipp wollte die Templer und ihren Orden vernichten, koste es, was es wolle. Nichts würde ihn davon abhalten, seine Pläne in die Tat umzusetzen. Dazu hatte er seine gesamte ihm zur Verfügung stehende Macht ausgespielt. Er scheute nicht davor zurück, selbst den Papst durch mehr oder minder deutliche Erpressungen für sein Vorhaben einzusetzen.
Schweigend und mit zusammengekniffenen Augen hatte er sich den Bericht des Boten angehört, der ihm die Nachricht vom Eintreffen de Molays in Poitiers übermittelte, und nur de Nogaret, der unweit des Königs gestanden und mit wachsamen Augen jede Regung seines Herrn registriert hatte, wusste, was in jenem vor sich ging.
„So ist der Großmeister also in Poitiers“, stieß der König mit unverhohlener Freude hervor, bevor er de Nogaret entließ und nach
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