Die Rose von Angelâme (German Edition)
werden.“ Er schaute in die Runde und sah, dass die Männer verstört und entsetzt dreinschauten. Auch ihm missfiel, was sie geschehen lassen mussten. Er hatte lange über seine Entscheidung nachgedacht und viele Stunden in verzweifelten Gebeten verbracht. „Die Dokumente der Heiligen Kirche sind sicherer“, schloss er mit fester Stimme. „Wir werden sie als unseren Weg nehmen.“
Montgelas stand müde auf.
„Agnus Dei qui tollis peccata mundi: Miserere nobis“, sagte er leise.
„Dona nobis pacem“, antworteten ihm die Brüder.
„Kyrie Eleison.”
„Ich fürchte allerdings, wir sind nicht viel besser als die, die ausführen, was wir geschehen lassen müssen.“ Montgelas wischte mit dem Ärmel die Tränen vom Gesicht, die sich nicht weiter aufhalten ließen. „Geht in Gottes Namen.“
„Amen.“
Montgelas bestand darauf, dass während der anschließend abgehaltenen Messe vor allen Dingen um das Seelenheil jener Frau gebetet wurde, deren Schicksal vor wenigen Stunden besiegelt worden war, und die sie schmählich im Stich lassen würden.
Heimlich und unter Tränen widmete er einen Teil der Messe und seiner Gebete auch Giselle, denn er ahnte, dass sie auf ihre Weise ebenfalls zum Opfer eines unermesslichen Plans geworden war.
Dona requiem sempiternam.
Montgelas folgte ihr noch im selben Jahr, wodurch ihm unter anderem erspart blieb, Berichte über die Gräuel anhören zu müssen, die dem Orden über die erneute Verhaftung der Comtesse von Angelâme und ihr weiteres Schicksal zugetragen wurden.
Es blieb ihm auch erspart, miterleben zu müssen, wie Philipp im Spätsommer desselben Jahres zum Schlag gegen die Templer ausholte, die er im Jahre 1312 endgültig vernichten würde.
Tours, Siena, Cypern und Jerusalem im Jahre des Herrn 1307
Der Karren, der vor dem Gefängnis zu Tours bedrohlich schaukelnd und knarrend anhielt, weckte in den zufällig vorbeikommenden Passanten die blanke Neugier. So waren einige stehen geblieben, um sich mit gereckten Hälsen das vielversprechende Schauspiel anzusehen, hoffend, dass es die Eintönigkeit ihres armseligen Lebens wenigstens ein bisschen auflockern möge. Außerdem - was gibt es Erfreulicheres als die Tatsache mit eigenen Augen zu sehen, dass es wieder einmal jemand anderen erwischt hatte? Gott sei’s gedankt!
Die Frau, die soeben rücksichtslos von ihren Wächtern aus dem Inneren des mit dunklen Planen verhängten Wagens gezerrt wurde, war trotz der deutlich sichtbaren Strapazen und trotz des Entsetzens, welches in ihrem Gesicht stand, wunderschön. Ihre rotblonden, lockigen Haare fielen ihr zwar strähnig auf die Schulter, und die bloßen Hände und Füße starrten vor Schmutz, aber in den smaragdgrünen Augen lag ungebrochener Stolz.
Rose wusste nicht mehr, wie lange sie in dem unbequemen Gefährt unterwegs gewesen war, in das man sie gestoßen und in dem man sie schließlich in Ketten gelegt hatte, damit sie nicht davonlaufen konnte. Es war ihr auch vollkommen gleichgültig. Als man sie dieses Mal gar auf offener Straße ergriffen und entführt hatte, wusste sie, dass sie hoffnungslos verloren war.
Rose war zu der Überzeugung gekommen, es wäre ihr zuträglicher, wenn sie sich nicht mit Gedanken daran belastete, wie ihr geliebter Mann mit der Ohnmacht fertig wurde, die ihm die aussichtslose Situation zweifellos aufbürdete.
Zunächst musste sie in dem turmartigen Verlies bleiben, in das sie bereits bei ihrer ersten Verhaftung gebracht worden war. Nach dem Verhör durch den Obersten Richter wurde sie eine gute Woche später in ein anderes Gefängnis gekarrt, das ihrem Gefühl zufolge außerhalb der Stadt in wenigstens einer Wegstunde Entfernung liegen musste. Dort hatte sie weitere drei Wochen in einer wenige Ellen Länge und Breite messenden Zelle verbringen müssen. Aber wenigstens gab es ein wenn auch vergittertes Fenster und genügend Luft. Selbst das Essen war genießbar.
Schließlich holte man sie wieder ab und brachte sie zurück in die Mauern des Gefängnisses zu Tours.
Kein Mensch konnte ihr sagen, weshalb sie nicht gleich dort hatte bleiben können.
Wie konnte sie ahnen, dass dahinter jemand stand, der geschickt ihre Spuren zu verwischen gedachte.
Wie konnte sie wissen, dass dieser Jemand aus der Ferne genoss, sie in Gedanken leiden zu sehen,ihren Geist zu verwirren und ihren Willen zu brechen.
Albert war entsetzt, als er die Absichten hinter den Ereignissen um Rose in vollem Umfang verstand. Sollte die Bruderschaft seine Frau
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