Die Rose von Asturien
Prügel, die sie von ihrer Mutter bezogen hatte, lenkte ihre Gedanken wieder auf Maite. Seit ihrer Ankunft im Lager hatte sie die Waskonin nicht mehr gesehen, und so konnte sie nur hoffen, dass man sie gut behandelte.
Während Ermengilda sich in sich selbst zurückgezogen hatte, versuchten die Mägde immer noch, ihre verfilzten Haare zu entwirren, und gingen dabei wenig einfühlsam zu Werke. Es passte nicht zu ihrem Bild von einer Dame nobler Abkunft, dass diese mit kleinen Rindenstücken, Heu und sogar Ziegendung auf dem Kopf herumlief. Als eine von ihnen auch noch eine Zecke entdeckte, die sich hinter Ermengildas Ohr festgesetzthatte, schüttelten alle den Kopf. Graf Eward mochte vielleicht nicht in allen Belangen ein richtiges Mannsbild sein, doch ihrer Ansicht nach hatte er es nicht verdient, mit einem Mädchen verheiratet zu werden, das sichtlich aus bäuerischen Verhältnissen stammte.
Ohne Ermengilda vorzuwarnen, drehte die Magd die Zecke ab. Das hatte sie schon öfter bei anderen Bediensteten und Soldaten tun müssen, und sie besaß genug Erfahrung darin, den Kopf des Insekts nicht in der Haut zurückzulassen.
Ermengilda stieß einen weiteren Protestschrei aus. »Aua, was soll das?«
Mit einem zufriedenen Grinsen hielt die Magd ihr die Zecke vor das Gesicht. »Das Ding hattest du am Kopf. Ich glaube, wir sollten nachsehen, ob noch woanders ein solches Tier sitzt. Wenn Graf Eward es sähe, würde er es für eine hässliche Warze halten.«
Die Magd lachte, und ihre beiden Freundinnen begannen zu kichern. In den Augen der Frauen war Ermengilda eine Fremde aus einem kleinen, hinterwäldlerischen Königreich, und die Begleitumstände ihres Erscheinens waren nicht dazu angetan, ihnen Respekt einzuflößen.
Ermengilda war jedoch nicht willens, sich so behandeln zu lassen. Sie stieg aus dem Bottich, sah die Weiber an und unterstrich ihre Worte mit unverkennbaren Gesten. »Nehmt ein Tuch und trocknet mich ab! Tut es aber sachte, sonst werde ich zornig!«
Daheim hatte sie dazu keine Dienerin benötigt, doch nun wollte sie den Frauen zeigen, wer hier die Befehle gab. Gleichzeitig ärgerte sie sich, weil der Zorn über die unverschämten Mägde sie dazu gebracht hatte, ihr Bad schneller zu beenden, als es nötig gewesen wäre. Sobald sie abgetrocknet war, würden die groben Weiber sie mit den Extrakten betupfen, die sie Wohlgerüche nannten, und sie zum Bett führen. Dann würdees nicht mehr lange dauern, bis ihr fränkischer Ehemann erschien und sein Recht einforderte.
Daran konnte sie nun nichts mehr ändern. Eine Magd rieb sie mit einem so rauhen Tuch trocken, dass sie sich wie eine Stute behandelt fühlte. Die beiden anderen schmierten eine stark riechende Salbe auf ihren Busen und zwischen ihre Schenkel und gossen ihr reichlich Rosenwasser ins Haar. Dann zeigte eine von ihnen auf das Bett.
»Ihr müsst jetzt warten, bis Herr Eward erscheint!«, sagte sie und zog sich dann mit ihren Gefährtinnen zurück.
Ermengilda hatte zwar nur den Namen ihres Mannes verstanden, begriff jedoch, was gemeint war, legte sich hin und zog die Felldecke über sich.
Es war schlimm genug, auf etwas Angenehmes zu warten. Aber das Warten auf etwas, das erschreckend oder zumindest unangenehm war, fiel noch viel schwerer. Die Zeit floss so zäh, als sei sie festgefroren, und schon bald wusste die junge Frau nicht mehr, ob sie erst kurze Zeit oder bereits einige Stunden auf ihren Ehemann gewartet hatte. Eward erschien jedoch nicht.
Ermengilda mochte nicht einschlafen, um nicht überrascht zu werden, und als ihr die Augen zufallen wollten, richtete sie sich auf und lauschte angestrengt. Doch sie vernahm nur die Geräusche des nächtlichen Lagers und gelegentlich den Ruf eines nervösen Wachtpostens, der bei dem geringsten Geräusch nach der Parole fragte, auch wenn es sich dabei nur um ein Kaninchen handelte, das im Gebüsch raschelte. Eward blieb ihr fern, als hätte Bruder Turpinius sie niemals als Mann und Weib zusammengegeben.
Voller Zorn über die Missachtung überlegte sie, ob sie sich nicht doch schlafen legen sollte. Wenn ihr Ehemann kam, musste er sie eben wecken, um das mit ihr tun zu können, wonach Männern im Allgemeinen der Sinn stand. Aber dannwäre sie ihm völlig hilflos ausgeliefert, und das wollte sie nicht. Daher starrte sie weiter in die Finsternis, die im Zelt herrschte.
Trotz ihrer Anspannung dämmerte sie irgendwann weg und fuhr erschrocken hoch, als sie glaubte, die Stimme ihres Ehemanns zu vernehmen.
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