Die Rose von Asturien
Rasch richtete sie sich auf und spitzte die Ohren. Es war tatsächlich Eward, und er musste sich ganz in der Nähe befinden. Wahrscheinlich hatte er mit seinen Freunden noch ein paar Becher Wein auf seine Hochzeit geleert und kam nun zu ihr. Doch zu ihrer Verwunderung blieb die Plane am Zelteingang zu. Inzwischen war die Angst vor der Entjungferung, die Ebla ihr eingeflößt hatte, einem Gefühl tiefer Gekränktheit gewichen. Mit der Heirat hatte Eward sich schließlich verpflichtet, ihr jene Aufmerksamkeit zu schenken, die ihr als Ehefrau zustand.
Sie stand auf, wickelte sich die Felldecke um den nackten Leib und tastete sich zum Zelteingang. Dort hob sie die Plane und blickte nach draußen. Die Sterne standen in voller Pracht über dem Land, und ein zur Hälfte voller Mond spendete genug Licht, so dass sie die Umrisse der Zelte und Bäume im Hintergrund erkennen konnte.
Ewards Stimme klang erneut auf, und sie kam aus einem Zelt nicht weit von dem ihren. Er sprach mit gedämpfter Stimme, doch in der Stille der Nacht trug der Wind Wortfetzen zu ihr. Ermengilda machte ein paar Schritte auf das andere Zelt zu. »Wie konnte mein Bruder mir dies nur antun? Diese Spanierin ist so groß wie eine Kuh und sieht auch aus wie eine!«, vernahm sie und blieb stocksteif stehen.
Ihr Gatte sprach jenen Dialekt, den ihr Gospert beigebracht hatte. Zwar bekam sie nur bruchstückhaft mit, was Eward sagte, doch der verächtliche Tonfall in seiner Stimme tat ein Übriges. Sie fühlte sich wie mit Eiswasser übergossen und sah alle Hoffnungen, die ihr Vater und König Silo in sie setzten,schwinden. Wie sollte sie Einfluss auf einen Mann nehmen, der sich nicht das Geringste aus ihr machte, sie sogar verabscheute? Sie presste die Lippen zusammen, um nicht ihren Zorn und ihre Enttäuschung herauszuschreien. Immerhin stand sie nur in eine Felldecke gehüllt im Freien und wollte nicht, dass man sie so zu Gesicht bekam.
Jemand antwortete Eward, und die Stimme dieses Mannes jagte Ermengilda einen Schauer über den Rücken. Eward klang nun bettelnd, und dann vernahm die Lauscherin das Geräusch eines Kusses. Zwar war es nichts Ungewöhnliches, wenn gute Freunde sich küssten, doch ihr stellten sich die Haare auf. Sie trat so nahe an das andere Zelt heran, dass sie die Leinwand mit ihren Fingern berühren konnte, und bedauerte, dass sie die Sprache ihres Mannes nur bruchstückhaft verstand. Dennoch blieb sie wie gebannt stehen.
Im Zelt drehte Eward sich zu Hildiger um, betrachtete dessen nackten Oberkörper im Schein der kleinen Lampe und schüttelte verzweifelt den Kopf. »Ich werde diesen Koloss niemals als mein Weib anerkennen!«
»Der König wird nicht dulden, dass du der spanischen Kuh auf ewig fernbleibst, mein Geliebter. Irgendwann wirst du dich überwinden und zu ihr gehen müssen.«
»Niemals!«, rief Eward so laut, dass die Wächter ihre Köpfe reckten.
»Du musst! Denke daran, es geschieht auch für unser Wohl und Wehe. Möglicherweise kannst du es einige Zeit hinausschieben. Erkläre offen, du würdest die Ehe erst vollziehen, wenn der Preis, den Karl dir dafür versprochen hat, auch bezahlt worden ist. Damit gewinnen wir Zeit, bis Karl in Spanien erschienen ist, und vielleicht sogar noch einige Wochen mehr. Oder glaubst du, der König würde all die Länder, die vor uns liegen, in ein paar Tagen erobern und dich als Markgrafen einsetzen können?«
»Ich wünschte, er würde verlieren!«, brach es aus Eward heraus.
Hildiger hob mahnend die Hand. »So darfst du nicht reden. Es ist für uns von Vorteil, wenn du zum Markgrafen von Spanien erhoben wirst. Dann könnten wir endlich Karls Hof verlassen und so leben, wie wir es uns wünschen. Das willst du doch genauso wie ich!«
»Aber was ist, wenn der König dich an das entgegengesetzte Ende des Reiches schickt, vielleicht gar zu diesen grässlichen Sachsen?«
»Das darfst du nicht zulassen. Du musst bei Karl darauf bestehen, dass ich dein Marschall und Heermeister werde. Alles andere wird sich schon finden.«
Eward nickte und versicherte Hildiger, sich bei König Karl für ihn einzusetzen. Dann streckte er die rechte Hand nach ihm aus und streichelte seine Brust. »Komm, mein Geliebter, schenke mir noch ein wenig Trost in dieser schweren Stunde.«
Draußen vor dem Zelt hatte Ermengilda das Gespräch zwar mit angehört, aber vieles nicht verstanden. Als plötzlich andere Geräusche herausdrangen und die beiden Männer zu keuchen begannen, lüftete sie den Zelteingang einen
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