Die Rose von Asturien
Einen Augenblick stand sie noch ratlos da, dann atmete sie tief durch und sagte: »Danke!«
Durch dieses Wort gewann sie Maites Zuneigung. Die Waskonin hatte Ermengilda nie wirklich gehasst und deswegen auch selten so hart angefasst, wie sie es sich vor dem Überfall ausgemalt hatte. Nun wurde ihr klar, dass sie beide in der nächsten Zeit Schicksalsgefährtinnen sein würden, und beschloss, ihr zu helfen, sich in diesem Zelt wohnlich einzurichten. Um die Hände frei zu haben, warf sie das Laken aufs Bett und machte sich splitternackt auf die Suche nach ihrer Kleidung.
Ermengilda hatte Maite bereits ohne Kleider gesehen, nahm aber jetzt erst wahr, dass die Waskonin sehr harmonische Formen hatte. Auch ihr Gesicht hatte seinen eigenen Reiz, auch wenn es so braun war wie das einer Bäuerin. Erschrocken über ihr plötzliches Interesse an Maites Aussehen fragte sie sich, ob sie durch Ewards Zurückweisung so verletzt worden war, dass sie in Zukunft Männer verabscheuen und sich nach der sanften Liebe einer Frau sehnen würde.
Zu ihrer Erleichterung schlüpfte Maite in ihr Hemd und zog dann das Kleid darüber. Es war ihr einziges, das bereits arg mitgenommen war und nicht allzu sauber aussah.
Das, sagte Ermengilda zu sich selbst, musste sie ändern. »Wirmüssen etwas für deine Garderobe tun. Es kommen sicher Händler aus der Stadt ins Lager, von denen wir uns Stoffe besorgen können. Ramiro hat zwar eine Truhe mit Kleidern für mich mitgebracht, aber die lassen sich anders als die maurischen Gewänder nur mühsam umarbeiten.«
Die Asturierin lächelte bereits wieder und vermochte der Verlockung nicht zu widerstehen, sich ebenfalls auszuziehen und sich der Waskonin nackt zu präsentieren. Dabei wurde ihr schnell klar, dass ihr an einem freundlichen Wort mehr gelegen war als an irgendwelchen Zärtlichkeiten, und sie lachte über sich selbst. Dennoch genoss sie die Blicke, mit denen Maite sie musterte. Auch wenn ihr Mann sich nicht das Geringste aus ihr machte, war sie doch schön genug, um den Neid der Waskonin zu wecken. Dann erinnerte sie sich daran, wie Philibert und auch Konrad sie angestarrt hatten, und spürte, dass ihr Selbstbewusstsein sich erholte. Es lag nicht an ihr, dass diese Ehe nur eine Farce war, sondern an ihrem Ehemann und dessen männlicher Hure.
Entschlossen, auch in dieser Situation ihre Würde zu bewahren, wusch sie sich, schlüpfte in ihre Kleidung und trat vor das Zelt, um den erstbesten Knecht anzusprechen und ihm ihre Wünsche mitzuteilen.
Es handelte sich um Rado, der von Konrad und Philibert geschickt worden war, nachzusehen, weshalb Ermengilda aus Ewards Zelt fortgebracht worden war. Als er die Asturierin vor sich sah und diese ihn ansprach, atmete er erleichtert auf. Es würde die jungen Männer beruhigen zu hören, dass es ihr gutzugehen schien, und die beiden hoffentlich vor Dummheiten bewahren.
»Rado, melde dem Feldherrn, dass uns Kleider fehlen und andere Dinge, die Frauen dringend benötigen. Herr Roland wird doch nicht wollen, dass man meine Freundin und mich für Trossdirnen hält!«
Rado verstand sie nicht. Daher winkte er Just zu sich, bat ihn, ihre Worte zu übersetzen, und verneigte sich dann fröhlich grinsend vor Ermengilda. »Es wird wohl keinem einfallen, dich für eines dieser unsäglichen Weiber zu halten, dafür bist du zu schön und zu stolz.«
»Trotzdem benötige ich neue Kleider. Geh und kümmere dich darum!« Ermengilda wartete gerade so lange, bis Just auch diese Worte erklärt hatte, und kehrte dann ins Zelt zurück.
»Das wäre erledigt. Jetzt müssen wir nur zusehen, dass man uns das Frühstück bringt. Ich habe mit einem Mal Hunger«, sagte sie weitaus munterer als vorher und zwinkerte Maite zu.
7.
R
olands Zelt stand ein Stück von Ewards und Hildigers Unterkünften entfernt, als wolle er nichts mit den beiden zu tun haben. Das Tuch seiner Wände war so stark gewachst, dass es selbst schwerem Regen widerstehen konnte, und sein Inneres bot gerade genug Platz für ein schlichtes Feldbett, einen Stuhl und einen Klapptisch, auf dem neben dem Frühstück des Markgrafen eine Karte der Umgebung lag. Während Roland das steinharte Brot mit den Zähnen zerteilte und kleine Schlucke Wein dazu trank, fuhr sein Finger über das kunstvoll bemalte Pergament und blieb auf dem Symbol ruhen, das für Pamplona stand.
Laut Absprache hätte Graf Eneko ihm die Stadt längst übergeben müssen, damit er sie als Vorratslager und Ausgangspunkt für den geplanten
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