Die Rose von Asturien
sagt, dass dies nicht der Fall sei. Seinen Worten zufolge hätten die Geiseln die Stadt bereits vor Karls Aufbruch verlassen.«
Jetzt wurde Roland aufmerksam. »Du meinst, die Geiseln wären nicht beim König?«
»Zumindest behauptet Just das, und er ist ein kluger Junge.«
»Das ist doch der, der so rasch fremde Sprachen lernt, nicht wahr? Du solltest ein Auge auf ihn haben und ihn rechtzeitig in ein Kloster geben. Dort vermag er ein gelehrter Mann zu werden. Als Krieger eignet er sich, so glaube ich, weniger. Er ist nur ein Hänfling und wird auch später einmal nie zu den Größten zählen.« Rolands Worte endeten in einem Lachen, denn für ihn war ein guter Krieger mehr wert als ein ganzes Kloster voller Mönche, die des Lesens und Schreibens kundig waren.
Konrad amüsierte sich bei der Vorstellung, Just als Krieger in Rüstung zu sehen. Auch wenn der Junge wusste, wo bei einemMesser das Heft und wo die Klinge war, so verstand er sich doch besser auf Schreibfeder und Pergament. Da ihn jedoch die verschwundenen Geiseln beunruhigten, lenkte er das Gespräch wieder auf dieses Problem.
Roland winkte schließlich ab. »Die haben sich wahrscheinlich aus Heimweh in die Büsche geschlagen. Sie zu verfolgen bringt nichts. In den Bergen können sie sich überall verstecken. Solange wir Graf Eneko in unserer Gewalt haben, beunruhigt mich das nicht.«
Damit war die Sache für ihn erledigt. Seine Gedanken weilten längst nicht mehr in Spanien, sondern galten den aufständischen Sachsen. »Sieh zu, dass die Mauer schneller niedergerissen wird. Wir müssen Karl so bald wie möglich folgen, denn mein Schwert will Sachsenschädel spalten.« Roland klopfte Konrad aufmunternd auf die Schulter und ging weiter.
Dieser kehrte nachdenklich zu seinem Mauerabschnitt zurück und stellte fest, dass die Leute dort auch während seiner Abwesenheit nicht faul gewesen waren, die Blicke aber, die sie ihm zuwarfen, kaum giftiger hätten sein können. Ihn kümmerte es jedoch nicht, denn ihm gingen die verschwundenen Geiseln nicht aus dem Kopf. Es ärgerte ihn, dass Maite sich den anderen Geiseln angeschlossen hatte. Ein wenig Dankbarkeit dafür, dass er ihr das Leben gerettet hatte, wäre wohl angebracht gewesen. Dann aber zuckte er mit den Schultern. Was kümmerte ihn diese stachelige Waskonin? Er hatte mit sich selbst genug zu tun.
»Vorwärts! Oder wollt ihr in einem Jahr noch immer hier arbeiten?« Seine Worte hallten laut über die Mauerreste, und ein fränkischer Krieger, der mit seiner Peitsche bereitstand, nahm sie zum Anlass, wahllos auf die Einheimischen einzuschlagen.
»He, lass das! Die Leute arbeiten doch, so rasch sie können«, wies Konrad ihn zurecht und versuchte auszurechnen, wie langesie noch hier in Pamplona bleiben mussten. Bei Rolands Ungeduld konnte es sich nur noch um wenige Tage handeln. Da der Markgraf jedoch nicht aufbrechen würde, bevor die Befestigungswerke der Stadt völlig geschleift waren, durften weder die Einwohner noch seine Leute trödeln.
Gerade, als ihm dieser Gedanke durch den Kopf schoss, bemerkte Konrad, dass Ermo, der ebenfalls in seinem Abschnitt zur Arbeit eingeteilt worden war, sich verdrücken wollte. Schnell winkte er den Peitschenschwinger heran. »Zieh dem Kerl dort ein paar über. Ich glaube, der braucht es!«
Das ließ der Mann sich nicht zweimal sagen, und ehe Ermo begriff, aus welcher Richtung der Wind wehte, tanzte die Peitsche auf seinem Rücken. Den hasserfüllten Blick, den er Konrad nun zuwarf, tat dieser mit einer Handbewegung ab. In seinen Augen hatte Ermo diese Hiebe verdient.
Konrad verdrängte den Mann aus seinen Gedanken und ging weiter. Unterwegs sah er Ermengilda von zwei fränkischen Kriegern und einer Magd begleitet die Straße heraufkommen. Auf ihren Wangen entdeckte er nasse Spuren, als hätte sie eben noch geweint.
Gegen seinen Willen empfand er Mitleid mit ihr. Aber er schob es von sich, indem er sich sagte, dass sie selbst schuld war an ihrer Situation. Warum hatte sie seine helfende Hand ausgeschlagen? Im Gegensatz zu Eward hätte er sie verehrt wie eine Heilige. Aber sie war doch nur ein Weib und als solches von Natur aus dumm. Als er zu diesem Schluss gekommen war, zuckte er zusammen, denn ihm war, als fühle er den Besen seiner Mutter mit ähnlicher Wucht auf seinen Rücken klatschen wie die Peitsche, die Ermo getroffen hatte.
Er war noch ein Kind gewesen, als er den Satz von der Dummheit der Frauen von einem reisenden Prediger vernommen und zu Hause
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