Die Rose von Asturien
Heimat verwendete, verstand ihn keiner der Gascogner. Auch Maite vermochte den Worten nicht zu folgen, begriff aber ihren Sinn. Konrad war bereit für den letzten Kampf.
Mit einem Mal schüttelte sie ihre Erstarrung ab, schritt durch die Reihen ihrer Landsleute und schwang ihre Schleuder.
»Halt, dieser Mann gehört mir!«
Sie sah, wie Konrad sich ihr zuwandte. Bei ihrem Anblick wurden seine Augen groß, und sein Schwert sank nieder, als wäre es ihm zu schwer geworden. Maite zielte genau und ließ dann den Stein von der Schleuder.
Konrad sah das Geschoss kommen und dachte noch bedauernd, dass ihm nicht einmal der Tod durch eine ehrliche Schwertklinge vergönnt war. Dann traf der Stein seinen Helm, beulte das Blech ein und ließ ihn zu Boden stürzen wie einen gefällten Baum.
»Das wäre erledigt. Aber jetzt müssen wir unseren Freunden zu Hilfe eilen.« Tarter klang erleichtert. Während er und die meisten Gascogner und Waskonen in die Richtung rannten, aus der der lauteste Schlachtenlärm zu vernehmen war, blieb Fadl Ibn al Nafzi mit seinen Leuten zurück. Der Berber trat auf Ermengilda zu und streckte die Hand nach ihr aus.
Maite sah ihren entsetzten Blick und hätte den Mauren am liebsten mit ihrer Schleuder niedergestreckt. Doch sie sagte sich, dass Ermengilda im Augenblick keine Gefahr drohte. Sie war für Abd ar-Rahman, den Emir von Córdoba, bestimmt, und kein Maure würde es wagen, ihr zu nahe zu treten. Während der Berber Ermengildas Hände mit einer seidenen Schnur fesselte und dabei so vorsichtig zu Werke ging, als wäre sie aus hauchfeinem Glas, trat Maite zu dem am Boden liegenden Konrad und kniete neben ihm nieder. Sie öffnete die Schnallenseines Helms und zog ihm diesen vom Kopf. Mit der rechten Hand suchte sie seine Halsschlagader, und als sie ein schwaches, aber stetes Klopfen unter ihren Fingerspitzen spürte, atmete sie auf. Damit hatte sie ihre Schuld ihm gegenüber wenigstens zu einem Teil erfüllt. Jetzt galt es, sich des Restes dieser Verpflichtung zu entledigen.
Mit einer energischen Bewegung wandte sie sich an die Mauren. »Dieser Franke lebt noch. Bindet ihn! Ich will ihn als Sklaven haben!«
Ihre Landsleute hätten diese Anweisung nicht befolgt, denn sie metzelten derzeit jeden Franken ab, der noch atmete, selbst wenn er kampfunfähig oder bereit war, sich zu ergeben. Die Mauren aber waren gewohnt, menschliche Beute zu machen. Fadl nickte nur und sah zu, wie seine Männer Konrad das Panzerhemd abnahmen, ihm die Kleidung vom Leib rissen und ihn fesselten. Dann grinste er. »Ich bin sehr froh, dass dieser Franke lebt. Seiner Rüstung nach muss er der Mann sein, der meinen Bruder Abdul erschlagen hat. Dafür wird er mir mit tausend Toden bezahlen, das schwöre ich bei Allah!«
Die Heftigkeit seiner Worte ließ Maite begreifen, dass der Maure ihr Konrad niemals überlassen würde. Für den Franken wäre es wahrscheinlich gnädiger gewesen, sie hätte ihn mit ihrem Schleuderstein getötet. Dann aber sagte sie sich, dass sie ihm hier an dieser Stelle das Leben gerettet und ihre Schuld damit abgetragen hatte. Was danach kam, lag nicht mehr in ihrer Hand.
17.
A
n einigen Stellen in der Schlucht wurde noch gekämpft. Eginhard von Metz und seine Männer stürmten verbissen gegen die Verhaue an, mit denen die Waskonen den Ausgang derSchlucht verbarrikadiert hatten. Die gut postierten maurischen Bogenschützen und die Krieger, die die Franken mit geworfenen und geschleuderten Steinen überschütteten, richteten ein Blutbad unter den Eingeschlossenen an. Als Eginhard begriff, dass seine Männer keine Chance hatten, das Hindernis zu überwinden, ließ er zum Rückzug blasen, in der Hoffnung, stattdessen den südlichen Ausgang der Schlucht gewinnen zu können. Doch schon nach wenigen hundert Schritten trafen sie auf Anselm von Worringens Krieger. Deren Anführer lag von einem Maurenpfeil gefällt auf der Erde, und die meisten seiner Männer teilten bereits sein Schicksal. Eginhard rief den Überlebenden zu, sich seiner Schar anzuschließen, und kämpfte sich Schritt für Schritt nach Süden.
Nicht weit vor ihnen, aber durch mehrere Biegungen der Schlucht den Augen dieses Trupps entzogen, hatten Ewards Leute einen Ring um ihren Befehlshaber und Hildiger gebildet. Die beiden hielten zwar ihre Schwerter in den Händen, aber sie waren schier zu Salzsäulen erstarrt und hatten noch keinen einzigen Hieb geführt. Den Männern um sie herum war die Verachtung über die Feigheit und die
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