Die Rose von Asturien
drängte. Sein Rivale hatte mehrere heiratsfähige Söhne, während sein eigener fünf Jahre jünger war als Maite und noch als Knabe galt.
»Warum keinen meiner Söhne?«, wandte Amets selbstbewusst ein. »Guizora ist das größte Dorf des Stammes und hat ein Anrecht darauf, der neue Hauptort zu werden.«
»Bis jetzt ist Askaiz immer noch größer!« Maite empfand seine Worte als anmaßend, begriff aber auch die Absicht, die dahintersteckte. In ihrem Dorf würden alle auf sie schauen, ob sie das, was ihr Ehemann sagte, auch guthieße. In Guizora aber wäre sie eine Fremde, und weder Amets noch sein Sohn, den sie heiraten würde, müssten Rücksicht auf sie nehmen. Allein das war Grund genug, eine Heirat mit einem Sprössling Amets’ abzulehnen. Zum anderen hatte sie nicht vergessen, dass ihr Vater durch einen Mann aus dem eigenen Stamm an Graf Roderich verraten worden war. All die Jahre war es ihr nicht gelungen herauszufinden, wer es gewesen war, doch einiges sprach dafür, in Amets den Schuldigen zu sehen.
Ihrem Onkel Okin missfielen Amets’ Forderungen ebenso wie ihr. Daher erhob er sich und sah auf den Anführer von Guizora hinab, als wolle er ihn einschüchtern. »Maite hat recht! Askaiz ist noch immer das größte Dorf des Stammes mit den meisten Kriegern. Seit Generationen ist es die Heimat unserer Häuptlinge gewesen, und das wird auch so bleiben. Außerdem eilt es nicht mit Maites Hochzeit. Sie ist jung genug, um noch einige Jahre warten zu können.«
»Das sagst du doch nur, weil du deinen angemaßten Platz als Häuptling noch länger behalten willst!« Amets sprang ebenfalls auf, und für einige Augenblicke sah es so aus, als wolle er mit den Fäusten auf Okin losgehen.
»Bleibt friedlich!«, wies der Älteste der Anwesenden sie zurecht. »Es bringt nichts, wenn ihr euch streitet. In einem stimme ich Amets zu: Der Mann, den Maite einmal wählt, muss die Zustimmung des Stammesrats finden.«
Der Anführer von Guizora nickte zufrieden, Okin aber ballte die Fäuste.
Der Stammesälteste machte eine beruhigende Geste. »Ich gebe aber auch dir recht, Okin! Wir sollten nichts überstürzen. Niemand wird Maite einen Bräutigam aufzwingen, den sie nicht will! Es würde Unfrieden in den Stamm hineintragen, wenn die Bluterbin der Häuptlingslinie und ihr Mann wie Katz und Hund zusammenlebten.«
»Richtig!«, stimmte Okin dem Sprecher zu. »Ich bin der Ansicht, Maite soll sich Zeit nehmen, bevor sie sich entscheidet.«
»Wohl bis zu dem Tag, an dem dein Sohn alt genug ist!«, stieß Amets wütend aus.
»Lukan wäre für Maite keine schlechtere Wahl als einer deiner Söhne!« Damit gab Okin seine geheimsten Überlegungen preis, und es gelang ihm, die Abgesandten der drei restlichen Dörfer auf seine Seite zu ziehen. Denn diese wollten keine Änderungen im Stammesgefüge, wozu es unweigerlich käme, wenn Guizora der neue Hauptort würde.
Amets begriff, dass er auf verlorenem Posten stand, und setzte sich. Unterdessen pries Maites Onkel wortreich die Vorzüge einer Verbindung seines Sohnes mit seiner Nichte, verbarg dabei aber geschickt, dass diese hauptsächlich ihm zum Vorteil gereichte. Da Lukan zu jung war, um von den anderen anerkannt zu werden, würde er selbst noch viele Jahre den Stamm anführen können.
Maite stand kurz vor einem Wutausbruch. Für sie kam Lukan ebenso wenig in Frage wie einer von Amets’ Söhnen. Doch bevor sie dies ihrem Onkel ins Gesicht schleudern konnte, griff der Stammesälteste erneut ein.
»Schweig, Okin! Du bist genauso schlimm wie Amets. Alles, was du sagst, läuft darauf hinaus, uns und Maite deinen Sohn als neuen Anführer aufzudrängen. Lukan ist noch ein Kind und Amets’ Söhne sind ebenfalls kaum dem Knabenalter entwachsen. Sie alle sind wie ungegorener Teig. Bevor ich einenvon ihnen als Häuptling anerkenne, will ich wissen, was von ihm zu halten ist. Außerdem bin ich der Meinung, dass Maites Suche sich nicht allein auf unseren Stamm beschränken soll. Eneko von Iruñea hat erwachsene Söhne, die viel eher in Frage kämen. Würde Maite einen von ihnen heiraten, gewänne unser Stamm einen mächtigen Verbündeten.«
»Niemals werde ich einen stammesfremden Anführer akzeptieren!«, brüllte Okin.
»Ich auch nicht!«, polterte Amets, der ausnahmsweise mit Okin einer Meinung war.
Maite gönnte den beiden die Abfuhr. Amets war möglicherweise der Verräter ihres Vaters, und sie würde ihn bestrafen, sobald sie den Beweis für seine Untat in Händen hielt. Und Okin
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