Die Rose von Asturien
lag ihr ebenso wie seine Frau Estinne schon ständig in den Ohren, das Wohl des Stammes mache es nötig, mit ihrer Heirat zu warten, bis Lukan als Bräutigam für sie in Frage käme. Doch sie dachte nicht daran, diesen verwöhnten Bengel zu nehmen. Lukan war schon jetzt viel zu aufgeblasen und hatte sich erdreistet, von ihr zu verlangen, sie müsse ihn ebenso bedienen, wie es seine in ihn vernarrte Mutter tat. Auch aus diesem Grund war sie aus dem Haus ihres Onkels ausgezogen und in das ihres Vaters zurückgekehrt.
Nun verfolgte Maite schadenfroh, dass sich Okin und Amets einer geschlossenen Front der Anführer der drei übrigen Dörfer gegenübersahen. Auch diese hatten Söhne, wussten aber, dass diese aus verschiedenen Gründen nicht als Bewerber in Frage kamen, und hatten daher nichts gegen den Sohn eines so mächtigen Stammeshäuptlings wie Eneko aus Nafarroa als Anführer einzuwenden.
Einer der Dorfältesten hob die Hand, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Es dauerte eine Weile, bis er Okin und Amets, die einander erneut angifteten, zum Schweigen gebracht hatte. Dann berichtete er eine Neuigkeit, die ihmwichtiger erschien als das Gezänk um Maites künftigen Ehemann.
»Ich habe gestern mit Zigor aus Nafarroa gesprochen. Ihr kennt ihn alle und wisst, dass er ein enger Vertrauter von Häuptling Eneko ist. Dieser will eine große Versammlung aller Waskonen einberufen, zu der sogar Abgesandte aus der Gascogne kommen sollen. Zigor hat mich gebeten, diese Einladung an euch alle weiterzugeben. Es wäre eine gute Gelegenheit für uns, Freunde wiederzusehen, alte Bündnisse zu erneuern und neue zu schließen. Außerdem …«, er unterbrach sich, um seine Worte wirken zu lassen, »… außerdem könnte Maite sich bei dem Treffen Enekos gleichnamigen Ältesten und seinen jüngeren Sohn Ximun ansehen.«
»Es werden sicher auch die Söhne anderer Häuptlinge kommen, so dass Maite eine größere Auswahl hat«, erklärte das älteste Ratsmitglied mit einem zufriedenen Nicken.
Okin musterte die beiden Männer grimmig. »Was soll diese Eile? Eben waren wir uns doch noch einig, dass Maite mit ihrer Heirat noch einige Jahre warten soll!«
Am liebsten hätte er den Stammesmitgliedern verboten, Enekos Einladung zu folgen. Allerdings würde das nur Amets nützen. Denn der Häuptling von Guizora würde trotzdem hingehen und dort neue Bündnisse schließen, die seinen Einfluss stärkten. Daher lächelte Okin, obwohl ihm eher zum Zähnefletschen zumute war. »Wenn du Zigor wiedersiehst, kannst du ihm sagen, dass wir kommen werden.«
Amets grummelte ein wenig, stimmte aber zu, um nicht allein gegen alle zu stehen.
Auch Maite war mit dieser Entscheidung einverstanden. Sie hatte das Stammesgebiet nur selten verlassen können und freute sich auf das Wiedersehen mit anderen Waskonen und den Markt, der dabei abgehalten wurde. An einen möglichen Bräutigam verschwendete sie keinen Gedanken.
2.
W
ährend die Menschen in Askaiz sich nicht für König Karl und dessen geplanten Kriegszug nach Spanien interessierten, über den nur am Rande der Stammesversammlung gesprochen worden war, spürten andere die Folgen des fränkischen Heerzugs lange, bevor der erste Schwertstreich getan wurde. Jahrelang war Arnulf, der Herr auf dem Birkenhof im Hassgau, für seinen König in den Krieg gezogen und hatte das Aufgebot seines Dorfes angeführt. Auch heuer war der Aufruf an ihn ergangen, mit seinen Männern am Sammelplatz zu erscheinen. War es ihm schon von Jahr zu Jahr schwerer gefallen, die geforderte Anzahl an Kriegern unter Waffen zu stellen, so schien diesmal der Leibhaftige selbst ihm Knüppel in den Weg legen zu wollen.
Als Arnulf seine beiden nächsten Nachbarn auf seinen Hof zukommen sah, verrieten ihre schuldbewussten Mienen ihm schon von weitem, was die Männer zu ihm trieb. Er blieb stehen, bis sie das Hoftor erreicht hatten, und trat ihnen dann einen Schritt entgegen. »Dem Heiland zum Gruß!« Seine Stimme klang alles andere als freundlich.
Die beiden Bauern zuckten zusammen und sahen für einen Augenblick so aus, als würden sie am liebsten im Erdboden versinken. Schließlich straffte Ecke, der Ältere der beiden, seinen Rücken und erwiderte den Gruß. »Der Segen des Himmels sei mit dir, Arnulf.«
Der Angesprochene verzog spöttisch die Lippen. »Seit wann bist du unter die Priester gegangen, dass du mich segnen willst?«
Ecke rang die Hände und schnaufte. »Lando und ich – wir wollten mit dir sprechen,
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