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Die Rose von Asturien

Titel: Die Rose von Asturien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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einige der Burschen nachdenklich. Iker war der unbestrittene Anführer der fünf Dörfer gewesen, aus denen ihr Stamm bestand. Nun aber sah die Sache anders aus. Okin war nur Ikers Schwager und stammte nicht aus der Linie der alten Häuptlinge. Daher würde Amets, der Anführer des zweitgrößten Dorfes im Stammesverband, mit Sicherheit Anspruch darauf erheben, der neue Häuptling zu werden. Und wenn er diese Würde erst einmal innehatte, war es fast unmöglich, sie ihm wieder abzunehmen. Dann würde Maites zukünftiger Ehemann nur noch der Häuptling ihres eigenen Dorfes werden. Das aber lag nicht im Interesse der jungen Männer.
    Asier reichte den Schleifstein an einen Kameraden weiter und stand auf. »Ich sehe nach unseren Tieren«, sagte er, ohne Okin noch einen Blick zu schenken. In Wahrheit aber wollte er in Ruhe nachdenken.
    Er stieg den Hang hinab und sah in der Ferne die Ziegen seines Stammes grasen. Auf den ersten Blick schien sich nur ein halbwüchsiges Mädchen bei der Herde zu befinden, doch in der Nähe lauerten Wächter auf Fremde, die die Herde überfallen und wegtreiben wollten. Seit die Nachricht von Ikers Tod die Runde machte, war diese Gefahr größer denn je, und sie mussten auf alles vorbereitet sein.
    Da Asier nicht danach war, ein paar Worte mit der Hirtin odereinem der Wächter zu wechseln, lenkte er seine Schritte in die andere Richtung. Der Ruf eines Vogels ließ ihn kurz aufsehen. Obwohl dieser täuschend echt geklungen hatte, hatte der, der ihn ausgestoßen hatte, keine Federn, sondern gehörte zu den Burschen, die eingeteilt worden waren, die Umgebung von Askaiz zu überwachen. Der Wächter hatte ihn erkannt und ihm mitteilen wollen, dass er aufmerksam war.
    Asier antwortete mit einem kurzen, schrillen Pfiff und ging weiter. Schließlich setzte er sich auf einen Felsen und blickte ins Tal hinab. Roderichs Burg lag drei Tagesmärsche entfernt, wenn er rasch ging und die Straßen benützte. Vier bis fünf Tage würde er brauchen, wenn er sich auf verborgenen Pfaden durch das Land schlug. Für diesen Marsch benötigte er Vorräte, denn unterwegs durfte er weder jagen noch sich einer Ansiedlung nähern. Gerüchte eilten jedem Reisenden auf schnellen Flügeln voraus, und wenn Graf Roderich erfuhr, dass sich ein Krieger aus Askaiz in Richtung seiner Burg aufgemacht hatte, würde er die entsprechenden Schlüsse ziehen.
    »Ich muss heimlich gehen und dabei so vorsichtig sein wie ein Luchs!« Asier bedauerte, dass sein Bruder ihn nicht begleiten konnte, doch Danel lag mit Wundfieber im Bett. Es ging ihm zwar besser, und er würde nach Auskunft von Okins Frau Estinne, der Heilerin des Dorfes, wieder auf die Beine kommen, doch so lange wollte Asier nicht warten. Er erwog, bereits in dieser Nacht aufzubrechen, und dachte über die beste Route nach. Da erregte eine Bewegung am Waldrand seine Aufmerksamkeit.
    Er wollte zum Speer greifen, merkte jedoch, dass er diesen im Dorf zurückgelassen hatte und nur seinen Dolch bei sich trug. Wenn sich dort unten mehr als ein Feind befand, durfte er sich nicht auf einen Kampf einlassen.
    Asier stand auf, um den Wachtposten zu warnen. Da sah er eine winzige Gestalt zwischen den Bäumen auftauchen. Imersten Augenblick hielt er sie für einen Zwerg und schwankte, ob er diesen fangen oder sich zurückziehen sollte. Das Wesen taumelte, als sei es verwundet. Außerdem war es, wie er jetzt erkennen konnte, mit einem schmutzigen Kittel bekleidet, wie ihn asturische Mägde trugen, und wirkte alles andere als bedrohlich.
    Hinter einem Busch versteckt beobachtete Asier, wie das Wesen näher kam. Da brach es in die Knie und kroch schließlich auf allen vieren wie ein Tier. Zuletzt sank es zusammen und blieb liegen.
    Da Asier eine List fürchtete, rührte er sich zunächst nicht. Als das Wesen jedoch zu weinen begann, raffte er seinen Mut zusammen und schritt vorsichtig darauf zu. Es dauerte einen Augenblick, bis er in dem schmutzigen Bündel Maite erkannte. Er unterdrückte einen Aufschrei, stürzte auf sie zu, hob sie auf und starrte fassungslos in ihr ausgezehrtes Gesicht mit den aufgesprungenen, verharschten Lippen.
    Ihr Blick war bemerkenswert klar. »Asier! Ich habe es also doch geschafft.« Ihre Stimme war kaum noch zu hören.
    Dem jungen Mann stiegen die Tränen in die Augen. »Ja, du hast es geschafft. Du bist zu Hause!«
    »Ich habe Durst! Und Hunger!« Allein der Gedanke, die Heimat erreicht zu haben, verlieh Maite neue Kraft. Sie war jedoch zu schwach, um sich

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