Die Rose von Asturien
Vernunft. Zwar hatte König Karl mehrere Reiter bei ihm gelassen, die mit ihm nach Spanien reisen sollten, doch als es so weit war, hatte Philibert deren Begleitung vehement abgelehnt. Allein, so sagte er sich, kam er unauffälliger durch das Land.
Der Schrecken über das, was in der Schlucht von Roncesvalles geschehen war, brachte ihn jedoch dazu, diesen Weg zu meiden und das Gebirge weiter östlich auf einem abgelegenen, nur von Waskonen benützten Weg zu überqueren.
Der Hirte, der ihn versorgt hatte, brachte ihn über Ochagavia und Liédena bis an den Rio Aragón. Dort zeigte er auf den Fluss, der sich durch das gebirgige Land schlängelte. »Wenn du dem Wasser folgst, kommst du zu der Straße, die von Iruñea nach Süden führt. Du kannst sie nicht verfehlen. Ich rate dir aber, dich als Renegaten auszugeben, der sich mit dem König der Franken zerstritten hat und bereit ist, Muslim zu werden.«
Philibert nickte. Diesen Rat hatte der Mann ihm bereits vor ihrem Aufbruch erteilt. Aus diesem Grund hatte er sich einen der weiten, weißen Umhänge besorgen lassen, wie ihn die Mauren trugen. Dieser war nun zu einer Rolle zusammengedreht und hinter seinen Sattel geschnallt. Trotz der Warnung des Hirten trug er einen fränkischen Schuppenpanzer, und das Schwert an seiner Hüfte war die Waffe, die König Karl ihm zurückgelassen hatte. Auch davon hatte der Mann ihm dringend abgeraten und ihm angeboten, die gerade Waffe beieinem seiner Stammesverwandten gegen ein erbeutetes maurisches Krummschwert einzutauschen.
»Ich hoffe, du hast nicht alles wieder vergessen, was ich dir über die Mauren erzählt habe«, fuhr der Hirte fort, als er keine Antwort bekam.
Diesmal schüttelte Philibert den Kopf. »Nein, das habe ich nicht! Ich danke dir, dass du mir geholfen hast, und werde es dir vergelten, sobald ich zurück bin.«
Der Waskone winkte lächelnd ab. »Dafür müssen dir alle Heiligen beistehen, die es gibt, und noch einige mehr. Die Mauren machen wenig Federlesens mit Fremden, die ihnen nicht passen. Also sei vorsichtig und bemühe dich, nirgends anzuecken. Diese Menschen sind sehr empfindlich, was ihre Ehre, und noch mehr, was ihre Weiber betrifft. Ein Fremder, der sich als zu neugierig erweist, findet sich leicht im Kerker wieder und wartet darauf, geköpft oder kastriert zu werden. Vor allem Letzteres machen sie gerne. Dann stecken sie den armen Kerl als Verschnittenen zu der Frau, der sein Interesse gegolten hat. Er kann sie dann zwar so oft nackt sehen, wie er will, aber mangels gewisser Teile, die du und ich noch besitzen, bleibt ihm nichts anderes übrig, als sein Schicksal zu bejammern.«
Das war eine bemerkenswert lange Rede für den ansonsten so wortkargen Hirten, fand Philibert und war gerührt, dass der andere sich so um ihn sorgte. Er klopfte ihm auf die Schulter und lächelte beinahe übermütig. »Ich habe dir gut zugehört, mein Lieber, und weiß mich zu hüten.«
»Ich hoffe für dich, dass dem so ist. Aber jetzt lebe wohl. Meine Schafe warten auf mich!« Der Waskone streckte Philibert die Hand entgegen. Dieser ergriff sie und drückte sie fest.
»Ich sage nicht Lebewohl, sondern auf Wiedersehen. Ich bin dir für deine Hilfe noch etliches schuldig und will nicht vor unseren Heiland treten, ohne diese Verpflichtung aufgelöst zu haben!«
»Viel Glück!« Mit diesen Worten drehte der Hirte sich um und stieg wieder bergan. Philibert sah ihm einige Augenblicke lang nach, dann zog er das Pferd herum, welches König Karl ihm ebenso überlassen hatte wie den Panzer und die Waffen, und trabte am Ufer des Flusses entlang. Noch befand er sich in dem Landstrich, den die Waskonen Nafarroa nannten, doch schon bald würde er das Niemandsland zwischen den christlichen Völkern Nordspaniens und dem Reich der Mauren erreichen, und dann würde es sich entscheiden, ob er Manns genug war, Ermengilda zu befreien. Er hoffte, möglichst bald auf Just zu stoßen und von diesem Neues über die Frau zu erfahren, die er mit jeder Faser seines Herzens liebte.
Philibert war sich im Klaren darüber, dass Ermengilda sich nicht sträuben durfte, wenn ein Maure körperliche Dienste von ihr verlangte. Das galt insbesondere dann, wenn es der Emir selbst war, der nach ihr verlangt hatte. Er schob diesen Gedanken ebenso von sich wie die Befürchtung, er könnte sie schwanger antreffen. Auch dann würde er sie als seine Ehefrau so in Ehren halten, als habe ein treusorgender Vater sie ihm als Jungfrau ins Brautbett gelegt.
Der
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