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Die Rose von Asturien

Titel: Die Rose von Asturien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Schlägen am ersten Tag hatte Maite sie nicht mehr angerührt. Stattdessen hatte sie jedes Mal, wenn sie zu wenig getan hatte, den Brotkorb höher gehängt. Daher nahm Ermengilda an, sie würde auch an diesem Tag nur ein Stück trockene Kruste bekommen. Der Gedanke schreckte sie nicht, denn sie würde bald frei sein und in die Heimat fliehen können.
    Maite bemerkte, dass ihre Gefangene angespannter wirkte als sonst, und betrachtete sie aufmerksam. Dabei stieg Neid in ihr auf. Obwohl Ermengilda nur mit einem knielangen, braunen Kittel bekleidet war, starrten die Burschen im Dorf die Asturierin jedes Mal, wenn sie mit ihr Wasser holen ging, begehrlich an. Die Kerle sangen geradezu Loblieder auf Ermengildas wie Gold glänzendes Haar und den Schimmer ihrer blauen Augen. Das ärgerte Maite gleich doppelt, denn zum einen kam sie sich in der Nähe der Asturierin wie ein unscheinbares, graues Mäuschen vor, und zum anderen machten ihr sogar ihre engsten Anhänger Vorwürfe, Ermengilda schlecht zu behandeln. Da auch die Stammesältesten der Ansicht waren, sie solle ihre Gefangene so rasch wie möglich freigeben, hatte sie seit dem Überfall auf den Brautzug viel Einfluss im Stamm verloren.
    Doch auch dieser Gedanke brachte sie nicht dazu nachzugeben. Daher stieß sie Ermengilda mit dem nackten Fuß an. »Eneko von Iruñea hat einen Boten geschickt. Ich soll dichihm überlassen, damit er dich deinem Bräutigam zuführen kann.«
    Während ihrer Gefangenschaft hatte Ermengilda keinen Gedanken an den fränkischen Grafen verschwendet, der bisher vergebens darauf gewartet hatte, mit ihr ins Brautbett zu steigen. Nun aber spürte sie, dass sie sich auf die Begegnung mit König Karls jungem Verwandten zu freuen begann. Zumindest würde er sie vor Maite schützen können.
    »Der Häuptling von Iruñea fürchtet wahrscheinlich die Franken, die schon bald über die Pyrenäen kommen werden«, sagte Ermengilda hoffnungsvoll.
    Maite lachte auf. »Eneko mag die Franken fürchten, doch ich tue es nicht.«
    »Dein Oheim wird dich zwingen, mich freizugeben«, antwortete Ermengilda, die die Rettung greifbar nahe sah.
    Doch Maites Miene verriet ihr, dass die Waskonin sie eher umbringen als freigeben würde. »Mein Oheim ist ein zahnloser Hund, besonders euch Asturiern gegenüber. Das wird sich ändern, sobald ich im Stamm das Sagen habe. Was dich betrifft, so wirst du die Freiheit niemals mehr wiedersehen. Steh auf!« Ein zweiter Fußtritt begleitete ihre Worte.
    Ermengilda erhob sich, wobei sie die beschädigte Stelle des Seiles hinter ihrem Rücken versteckt hielt.
    Ohne weiter auf ihre Gefangene zu achten, lief Maite durch das Haus, in dem sie und Ermengilda hausten. Es war groß genug, um einem Dutzend Menschen ein Heim zu bieten, und es gab etliche Verwandte, die gerne hier eingezogen wären. Dabei handelte es sich jedoch um Okins Freunde und Anhänger, und die wollte Maite nicht in ihrem Haus sehen.
    Sie holte zwei große Tragkörbe aus einer Kammer und begann sie mit Kleidungsstücken, Vorräten und all jenen Dingen zu füllen, die sie für einen längeren Aufenthalt fern des Dorfes benötigte. Schließlich nahm sie das Kurzschwert an sich, welchesihrem Vater gehört hatte und ihr als einzige von seinen Waffen geblieben war, und richtete es auf Ermengilda.
    »Höre mir gut zu, du Rose von Asturien«, sagte sie, als sie näher trat und den kunstvollen Knoten löste, mit dem sie Ermengildas Strick an einem Eisenring befestigt hatte. »Wir beide werden jetzt das Dorf verlassen. Versuche nicht zu schreien oder gar, dich zu sträuben. Ehe ich zulasse, dass du freikommst, stoße ich dir die Klinge in die Kehle!«
    Ermengilda war klar, dass Maite ihre Drohung wahrmachen würde, und gab vorerst jeden Gedanken an Widerstand auf. Es war schlimm genug, die Gefangene dieser rabiaten Waskonin zu sein, doch solange sie noch Hoffnung auf ein gutes Ende hegte, wollte sie nichts riskieren. Sie war sich sicher, dass Maites Onkel Okin sie verfolgen und dafür sorgen würde, dass seine Nichte Vernunft annahm. Immerhin war sie nicht nur Graf Roderichs Tochter, sondern auch die Braut eines hochrangigen Franken, und dieses Volk durfte sich niemand zum Feind machen.
    »Du trägst diesen Korb!« Maite scheuchte ihre Gefangene in die Ecke, in die sie die Körbe gestellt hatte, und sah zu, wie Ermengilda sich den größeren davon auf den Rücken wuchtete. Dabei hielt sie das Ende des Lederseils in der Hand. Mit einem Mal stutzte sie, denn Ermengildas Bewegungen

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