Die Rose von Asturien
seinem.
Einige der jüngeren Krieger grinsten, denn längst war das eine oder andere Schaf aus Enekos Besitz in ihre Kochtöpfe gewandert. Viehraub galt nun einmal als ein kühner Streich, und ein Bursche, der sich dabei geschickt anstellte, vermochte den Mädchen zu imponieren.
Zigor wusste dies ebenso wie die anderen, ging aber nicht darauf ein. Stattdessen lobte er seinen Herrn und dessen Geschick im Kampf und bei Verhandlungen. »Wer hat Iruñea von den Mauren befreit und damit auch euch geholfen? Ein Mann muss jetzt mehrere Tage gehen, um das Maurenland zu erreichen, und ein Maure mehr als einen Tag reiten, um hierherzugelangen. Stimmt dies, oder lüge ich?«
»Du lügst nicht«, gab Amets von Guizora widerwillig zu.
»Die Mauren überfallen jetzt lieber die Asturier, als sich in unsere Berge zu wagen«, rief ein junger Krieger dazwischen.
»Das alles ist Graf Enekos Werk!«, rief Zigor mit hallender Stimme. An den Gesichtern um ihn herum konnte er ablesen, dass es ihm gelang, die Männer zu überzeugen.
Er lachte, machte einen unanständigen Witz über die Asturier und wurde dann schlagartig ernst. »Asturien sieht sich von allenlen Seiten bedroht, denn die Macht der Mauren und auch die unsere nehmen mehr und mehr zu. Aus diesem Grund sucht König Silo von Asturien das Bündnis mit den Franken, damit diese ihm gegen die Mauren helfen und uns für ihn unterwerfen. Daher ist es notwendig, dass alle Stämme Nafarroas zusammenstehen und Eneko als ihren Anführer im Krieg und im Frieden anerkennen.«
Schon einmal hatte Eneko Aritza versucht, sich zum Häuptling aller Waskonenstämme aufzuschwingen. Damals war er gescheitert, und das einzige Ergebnis jenes Treffens war der Überfall der jungen Krieger auf Ermengildas Reisegruppe gewesen. Inzwischen aber hatte die Nachricht vom Aufbruch der Franken auch diese Gegend erreicht. Daher erschien den meisten die Gefangennahme Ermengildas in einem anderen Licht, und sie fürchteten die Rache der Franken.
Amets von Guizora stand mit einer heftigen Bewegung auf.
»Was kümmert uns Nafarroa? Wir zählen zu den Stämmen Gipuzkoas!«
Doch nur seine engsten Anhänger stimmten ihm zu. Die anderen forderten Zigor auf, weiterzusprechen, was dieser gerne tat: »Wir haben die Wahl, entweder wie ein totes Schaf zwischen Asturien und den Franken zerteilt zu werden oder uns zusammenzuschließen und uns auf die stärkere der beiden Seiten zu schlagen. Das aber sind nun einmal die Franken.«
Zigors Worte ließen die versammelten Männer unruhig werden. Unzählige Generationen lang hatten sie ihre Freiheit und Unabhängigkeit bewahrt, und nun forderte Eneko von Iruñea sie auf, sich den Franken zu unterwerfen. Die jüngeren Männer machten ihrem Unmut durch Gesten und wütendes Gemurmel Luft. Aber Okin und Zigor stellten beruhigt fest, dass die Älteren, auf deren Meinung es ankam, nachdenklich wirkten. Sogar Amets, der sonst gegen Okin hetzte, wo er nur konnte, blieb stumm.
Zigor ließ den Männern Zeit, ihren Ärger kundzutun, bevor er fortfuhr. »Ich verstehe euch und teile eure Gefühle! Doch in dieser Stunde müssen die Stämme Nafarroas zusammenstehen. Nur dann, wenn Eneko der von allen anerkannte Anführer ist, kann er mit dem König der Franken auf Augenhöhe verhandeln und uns vor Fremdherrschaft bewahren. Ich frage euch: Wollt ihr einen Waskonen aus altem Blut, der unsere Gebräuche und unsere Sprache ehrt, an eurer Spitze sehen oder einen von den Franken eingesetzten Markgrafen, der euch nach fränkischem Gesetz richtet und von euch und euren Söhnen fordert, ihm zu dienen?«
Einer von Okins Männern sprang auf. »Wir gehorchen keinem Franken!«
Andere fielen ein, und diesmal schrien auch die jungen Krieger lauthals mit. »Die Franken sollen bleiben, wo sie sind. Eneko ist unser Mann!«
»Dann wollen wir unseren Bund beschließen!« Okin glaubte schon, gewonnen zu haben.
Da erhob sich sein alter Feind Amets erneut und stellte sich vor die Versammelten. »Meine Leute und ich sind ebenfalls für ein Bündnis mit Eneko. Aber wir werden uns ihm nicht unterwerfen!«
Sofort schloss sich ein großer Teil der Männer seiner Meinung an, und einer der Ältesten reckte die geballte Faust. »Wir sind ein freier Stamm. Uns kann keiner zwingen, das Haupt vor dem Häuptling von Iruñea zu neigen!«
Amets’ Eingreifen ließ das Pendel wieder in die andere Richtung schwingen, und es kostete Okin und Zigor viele gute Worte, um die Anführer des Stammes zu überzeugen, ein
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