Die Rose von Asturien
zeitlich begrenztes Bündnis mit dem Grafen von Iruñea einzugehen. Der Titel eines Grafen, den Eneko sich selbst verliehen hatte, aber durfte, so verlangten es die Männer, in dieser Vereinbarung nicht erwähnt werden. Für die Krieger war EnekoAritza nichts weiter als der Häuptling eines befreundeten Stammes, und sie drohten offen, sich jedem Versuch von ihm zu widersetzen, mehr Macht über sie zu erlangen.
Dennoch war Zigor zufrieden. Den Franken gegenüber konnte sein Herr von nun an so auftreten, als sei er der Anführer aller Stämme in diesem Land. Dies sagte er später zu Okin, als sie sich in dessen Haus zurückgezogen hatten. Estinne schenkte ihnen Wein ein und setzte sich mit mürrischer Miene zu ihnen.
»Du hättest darauf dringen sollen, dass der Stamm dich endlich als Ikers Nachfolger anerkennt«, tadelte sie Okin. »Es fordern immer noch viele, Maites zukünftiger Mann solle der neue Häuptling werden. Du hast es ja nicht einmal geschafft, die Leute gegen das störrische Ding aufzubringen. Wenn sie zur nächsten Stammesversammlung erscheint, werden die jungen Krieger ihr zujubeln, und ehe du dichs versiehst, heiratet sie einen von ihnen, und du hast das Nachsehen. Solange Maite unter uns lebt, wirst du niemals der unangefochtene Anführer des Stammes werden.«
»Was soll ich denn noch tun? Soll ich sie vielleicht umbringen? Dann würden sich meine eigenen Leute erst recht gegen mich wenden«, fuhr Okin auf.
Zigor legte ihm lächelnd die Hand auf die Schulter. »Ich weiß eine Möglichkeit, wie du das Mädchen loswerden kannst. Der Frankenkönig fordert von Graf Eneko Geiseln für dessen Wohlverhalten. Es sollten Kinder der hohen Anführer sein. Eneko wird mit gutem Beispiel vorangehen und seinen ältesten Sohn den Franken ausliefern. Wärst du jetzt schon der unangefochtene Häuptling deines Stammes, müsste Graf Eneko deinen Sohn Lukan von dir fordern. Doch Maite gilt zum jetzigen Zeitpunkt noch als die Höhergeborene, und daher solltest du dafür sorgen, dass sie den Franken als Geisel übergeben wird.«
»Das ist ein guter Vorschlag!« Estinne hätte jede Möglichkeit gutgeheißen, die es ihrem Sohn ersparte, als Geisel zu den Franken zu müssen.
Ihr Mann wiegte den Kopf. »Was bringt es mir, wenn Maite ein oder zwei Jahre lang im Frankenland bleibt und dann wieder auftaucht? Ich muss sicher sein, dass sie niemals mehr zurückkehrt! Schon einmal habe ich geglaubt, sie unauffällig aus dem Weg geschafft zu haben, aber das Biest ist zurückgekommen.«
»Du spielst auf Maites Flucht aus Roderichs Burg an?«, fragte Zigor. »Diesmal wird sie nicht so rasch zurückkehren, das verspreche ich dir. Und wer weiß, vielleicht verheiratet König Karl sie auch mit einem seiner Franken. Einen solchen werden deine Männer gewiss nicht als ihren neuen Anführer sehen wollen.«
Er lachte dröhnend und hielt Estinne den leeren Becher hin, um sich nachschenken zu lassen. »Heute ist ein bedeutender Tag, Okin. Da es dir gelungen ist, deinen Stamm zu einem Bündnis mit Graf Eneko zu bewegen, kannst du dir seiner Unterstützung sicher sein, und zwar in allem. Vergiss daher die Tochter deiner Schwester und stoße mit mir an!«
8.
M
aite und Ermengilda hatten den Boden der Grenzmark betreten und befanden sich in Graf Roderichs Herrschaftsbereich. Allerdings neigten die Stämme an der Grenze dazu, die Anweisungen des Asturiers nach Möglichkeit zu missachten, und beugten den Nacken nur dann vor ihm, wenn er mit einer größeren Zahl an Kriegern bei ihnen erschien. Viele Waskonen blickten sehnsüchtig über die Grenze nach Nafarroa, und etliche Männer verließen sogar die Heimat, um sich Eneko vonIruñea oder anderen Häuptlingen anzuschließen. Maite wusste, dass sie hier eher auf Freunde und Verbündete treffen würde als ihre Gefangene. Außerdem würde Okin sie niemals in dieser Gegend vermuten. Damit hatte sie Zeit gewonnen, um mit sich selbst und ihren Plänen ins Reine zu kommen.
Maite bog in ein Seitental ein und trieb ihre Gefangene wie ein Stück Vieh vor sich her. Ermengildas Aufbegehren lag jetzt drei Tage zurück, und die Asturierin hatte nicht gewagt, ihren Angriff zu wiederholen. Der Korb, den sie schleppen musste, wog mindestens das Doppelte dessen, was auf Maites Schultern lastete, aber die Erschöpfung hatte ihren Willen nicht gebrochen. Ihre Augen leuchteten sogar hoffnungsvoll auf, als sie die Landmarken ihrer Heimat erkannte.
Maite bemerkte es und lächelte, doch ehe sie etwas sagen
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