Die Rose von Asturien
interessiert.
Jussuf Ibn al Qasi lächelte sanft. »Der erhabene Emir hat es mir nicht mitgeteilt, mein Freund, und selbst wenn er es getan hätte, bliebe mein Mund verschlossen. Es kommen mir zu viele Franken in diese Stadt, in der du inzwischen so herrschst, als hättest du vergessen, wer sie dir in die Hände gegeben hat.«
Eneko zuckte zusammen, denn Jussufs Worte klangen wie eine Drohung. Natürlich war ihm klar, dass er den rebellischen Wali von Pamplona, wie die Mauren und Asturier Iruñea nannten, nur mit Erlaubnis und Unterstützung seines Verwandten hatte vertreiben können. Nicht zuletzt deshalb galt er bei den Mauren als dessen Vasall. Wenn Jussuf oder gar Abd ar-Rahman zu der Überzeugung kamen, ihnen wäre mit einem anderen Herrn von Pamplona besser gedient, würde seine Herrschaft über die Stadt ebenso rasch enden, wie sie begonnen hatte. Nicht zuletzt aus diesem Grund strebte er ein Bündnis mit den Franken an. Nun aber fragte er sich, ob es so wünschenswert war, die lockere Abhängigkeit von den Mauren mit der Herrschaft des Frankenkönigs zu vertauschen.
Jussuf Ibn al Qasi verfolgte jede Regung im Gesicht seines Gastgebers und lächelte, als er merkte, dass dessen Gedanken in die gewünschte Richtung flossen. Nun musste er nur noch dafür sorgen, dass der Samen, den er gesät hatte, auch zur Reife kam.
»Der erhabene Emir Abd ar-Rahman entbietet dir, Sohn meiner Tante, die besten Grüße. Er wünscht dir und deiner Stadt Glück und Gedeihen und zeigt sich gnädig bereit, dich als Grafen von Pamplona anzuerkennen. Auch will er Silo von Asturien dazu bringen, dasselbe zu tun.«
Eneko konnte seine Überraschung nicht verbergen. Bislang hatten ihn sowohl der Maure wie auch der Asturier wie einen kleinen Stammesführer behandelt, und er fragte sich, wie hoch der Preis für diese Anerkennung sein würde. Er fasste sich aberrasch wieder. »Wenn der Emir und Silo mich anerkennen wollen, dann sollen sie es als Graf von Nafarroa tun.«
»Ein übereilter Schritt lässt manchen straucheln und bringt ihn zu Fall«, antwortete der Maure immer noch lächelnd.
»Dann zumindest als Grafen von Iruñea, wie meine Stadt in der Sprache meines Volkes heißt.« Doch auch dieser Appell verfing nicht.
»Der Emir nennt diese Stadt bei dem Namen, den wir kennen. So hieß sie schon früher, bevor euer Volk sie übernahm. Sei zufrieden mit dem, was er dir gibt. Von Karl würdest du weniger erhalten, denn der Frankenkönig will all das Land, welches er in Spanien erwirbt, seinem Bastardbruder Eward übergeben, dem Mann, der Graf Roderichs Tochter Ermengilda hätte heiraten sollen. Frage dich, ob eine Heirat der beiden deinen Zwecken dienlich ist oder ob die Rose von Asturien nicht besser eine Gabe wäre, mit der du das Herz des erhabenen Abd ar-Rahman erfreuen könntest.«
In diesem Augenblick war Eneko Aritza froh, dass man ihm Ermengilda noch nicht übergeben hatte, denn sonst hätte er sich dieser Forderung nicht entziehen können. Ihm war, als zerrten zwei Riesen an ihm. Das Mädchen den Franken zu verweigern hieße, sich deren Zorn zuzuziehen, es ihnen aber zu übergeben würde ihm die Mauren zum Feind machen.
Er hob in einer verzweifelten Geste die Arme, ohne dass er das spielen musste: »Ich habe bisher nicht in Erfahrung bringen können, wo Roderichs Tochter sich aufhält. Es ist nicht einmal bekannt, ob sie noch lebt.«
»Dann solltest du es schleunigst herausfinden, mein Freund! Und denke darüber nach, was ich dir gesagt habe. Fließt nicht in unseren Adern das gleiche Blut, auch wenn ich zu Allah bete und du zu deinem Christus?«
Eneko nickte verbissen. Sein Verwandter hatte recht. Die Mauren waren vor fast acht Jahrzehnten über die Meerengegekommen und hatten in einem beispiellosen Siegeszug fast ganz Spanien überrannt. Nur in den Bergen Asturiens und Kantabriens sowie in den Pyrenäen hatten Hispanier, Visigoten und sein eigenes Volk sich gegen die fremden Eroberer halten können. Doch trotz aller Auseinandersetzungen hatten christliche Häuptlinge ebenso wie später die Könige von Asturien ihre Töchter maurischen Statthaltern zur Frau gegeben und dafür Maurinnen aus hoher Familie geheiratet und andere als Kebsweiber gehalten. Er selbst war der Sohn einer Maurin, ebenso König Silo von Asturien und dessen schärfster Rivale Agila, der den Beinamen Mauregato trug. Jussuf aber stammte aus einer Visigotensippe, die von Beginn an zu den Mauren gehalten und sich gegen den eigenen König gewendet
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