Die Rose von Byzanz
verschwamm und machte den kantigen Gesichtszügen Eirik Hallgrimssons Platz. Sie erschrak. Nein, das durfte nicht sein, er gehörte nicht hierher. Er sollte doch endlich aus ihrem Leben verschwinden!
Es ist allemal besser, bei diesem Byzantiner zu leben, als Sklavin eines Nordmanns zu sein, dachte sie. Verschwinde, Waräger. Du hast in diesem Leben nichts zu suchen.
Eirik kam näher. Er wirkte so traurig, verletzlich. Geschmeidig glitt er neben ihrem Zuber auf die Knie. Sie wandte den Kopf, blickte ihn fragend an. So viel Schmerz in seinen Augen …
„Warum siehst du mich so an?“, fragte sie leise. Kalte Luft ließ ihre Nippel hart werden.
„Weil ich dich verraten habe. Es ist meine Schuld, dass du nun bei ihm bist. Es tut mir leid. Ich wünschte, ich könnte es wiedergutmachen.“
„Es gibt nichts, das wiedergutgemacht werden müsste.“ Sie streckte die Hand nach ihm aus und strich über sein blondes Haar. Plötzlich war alles ganz einfach. Sie spürte keine Angst, und als er sich über sie beugte, umfassten seine Hände ihr Gesicht. Seine Lippen legten sich zart wie Schmetterlingsflügel auf ihren Mund, und sie seufzte vor Wollust.
Sie wusste nicht, wie es geschah, doch er hob sie aus der Wanne. Sie schlang ihre Arme um seinen Hals, küsste ihn. Jetzt war ihr Hunger erwacht, jener Hunger, vor dem sie immer Angst gehabt hatte.
Sie verstand ihre Angst, als Eirik sie nackt und nass wie sie war auf das Bett legte und sich über sie beugte. Seine Hände fuhren über ihre Haut, entfachten das Feuer in ihr, von dem sie wusste, dass es nie wieder verlöschen würde.
Aber wir dürfen nicht …
Den Gedanken konnte sie nicht zu Ende denken. Sein Blick suchte in ihren Augen nach Antworten.
„Johanna, willst du lieber bei ihm bleiben?“
Sie wollte antworten, doch als sie den Mund aufmachte, fuhr ein stechender Schmerz durch ihre Lippen. Sie versuchte es erneut. Jetzt war Eiriks Gesicht ihrem ganz nah. Und obwohl sie sich zuvor geküsst hatten, legte sich sein Finger auf ihren Mund und fuhr die Linien eines harten Fadens nach, der zwischen ihren Lippen vernäht war und ihren Mund versiegelte.
Sie wollte schreien, doch alles, was sie hervorbrachte, war ein Wimmern. Eirik zog sich zurück, stand über ihr. Überragend groß war er, während sie sich auf dem Bett wand und versuchte, ihre Lippen auseinanderzubekommen. Ihre Finger tasteten in fiebriger Hast nach dem Faden, sie spürte verkrustetes Blut und bekam keine Luft mehr, weil sie verzweifelt versuchte, durch den Mund zu atmen.
„Willst du lieber bei ihm bleiben?“
Seine hochgewachsene Gestalt wuchs und wurde übergroß, ging in die Breite und füllte ihr ganzes Gesichtsfeld aus, während Johanna verzweifelt an den Fäden zupfte, mit denen ihr Mund vernäht war.
„Antworte mir!“
Seine Stimme war ein Tosen und Brausen. Sie konnte nicht antworten, obwohl ihr Körper die Antwort wusste. Sie hatte falsch gehofft. Nicht der Byzantiner war es, der ihr Rettung brachte.
Eirik beugte sich zu ihr hinab. Seine Finger strichen tröstend über ihre Wange.
„Ersehnst du immer, was du nicht bekommst?“
Mit einem Schrei erwachte sie und zappelte mit Armen und Beinen, weil sie das Gefühl hatte, zu ertrinken.
Das Wasser im Zuber war kaum mehr lauwarm. Sie fröstelte. Der Traum klebte an ihr und nahm ihre Gedanken gefangen. Noch immer hatte sie das Gefühl, von Eirik beobachtet zu werden. Aber der Raum war leer. Im Osten wurde es bereits wieder hell.
Übermüdet und mit schmerzenden Gliedern wusch Johanna rasch ihr Haar aus und kletterte aus dem Zuber. Sie fröstelte in der kalten Nachtluft, trocknete sich ab und schlüpfte unter die Decke. Dann lag sie wach und spürte den Traumbildern nach. Ihre Hand fuhr über die Lippen. Fast erwartete sie, die Einstiche der Nadel zu spüren, mit der ihr Mund vernäht worden war. Doch da war nichts.
Stimmte es? Begehrte sie stets, was sie nicht bekam? Oder war es anders?
Hatte sie von Anfang an Eirik Hallgrimsson begehrt? Mehr noch, wollte sie ganz die Seine sein, sich allein ihm hingeben? Sie konnte diesen Gedanken nicht zu Ende denken. Es schmerzte sie zu sehr.
Sie war verloren. Denn sie würde ihn nie wiedersehen.
„Schau, da kommt unsere Unversehrte.“
Theodoras Stimme klang sanft und nicht spöttisch, wie Johanna es vielleicht erwartet hatte. Johanna verharrte unter dem Torbogen und blinzelte in das gleißende Sonnenlicht.
„Möchtest du dich nicht zu uns setzen?“
Doch, das würde sie gerne tun. Aber in
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